Milli mála - 01.06.2016, Blaðsíða 260
KUNST UND VANDALISMUS IM ZEICHEN DER MODERNE
260 Milli mála 8/2016
Vandalismus der modernen Welt in zwei Stufen verfolgen. Zunächst
ihre versöhnende Antwort, nun ausgehend vom Selbstverständnis
des Subjekts, auf die Menschenfeindlichkeit der selbstgeschaffenen
Welt, letztlich auf die alles quantifizierende Warenwelt, dann ihre
eigene Verwandlung in einen Kunstvandalismus, der diese Welt
nur mehr spiegelt, damit aber auch die menschliche Würde im
Ausstellen des Leidens rettet. Insofern ist sie, anders als die
Reklame, die heute auch als Kunst gelten soll, immer ein
Gegenentwurf zur Realität. Der historische Durchgang geschieht
in Form einer Sonata da camera, gefolgt von einigen Bagatellen,
denn das Schreckliche muss mit heiterer Ironie präsentiert wer-
den.10 Mit dem dazu gehörenden Praeludium sind wir eben zu Ende
gekommen.
2. Danza malinconica
Wenn die Kunst, die auf der Höhe ihrer Zeit sein will, nicht mehr
auf die alte Ordnung zurückgreifen kann, muss sie eine Welt aus
der Subjektivität selbst erschaffen, während Gott nach Abschluss
seiner Arbeit ein ab und zu eingreifender Zuschauer wird. Das
Subjekt muss nun sich selbst erforschen (Psychologie wird entwi-
ckelt und in die Literatur integriert), eine Welt muss entworfen
werden (moderne Philosophie muss integriert werden). Seine
Identität ist dem Subjekt von nun an nicht mehr vorgegeben, son-
dern aufgegeben, und dementsprechend wird die Kunst dazu her-
ausgefordert, im Takt mit der Dynamik der gesellschaftlichen
Entwicklung immer neue Identitätskonstruktionen vorzulegen.11
Sie missglücken, so wie die Versöhnung zwischen dem selbständi-
gen Subjekt und der Welt grundsätzlich missglückt und in
Ambivalenz endet, etwa in Goethes Leiden des jungen Werthers, oder,
wie in den wenigen Fällen, in denen das literarische Experiment
mit einer geglückten Utopie endet, wenn der vorläufige glückliche
Schluss dem Tod abgezwungen wird, zum Beispiel in Lessings
Nathan der Weise oder in Beaumarchais’ Le Mariage de Figaro. Ja,
10 Vgl. Wolf Wucherpfennig, Zeitgemäße Betrachtungen oder Consolatio Artis: Von der Kunst, würdevoll
und heiter unterzugehen, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2015
11 Das wird hier nicht ausgeführt. Es ist ein Thema meines oben genannten Buches Das Schreckliche
und die Schönheit.