Saga - 1964, Síða 127
MILLILANDASAMNINGUR
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Wenn wir auch sagen können, dass — im grossen gesehen — die
kleinere Nation sich durch den alten Vertrag gestarkt habe, so diirfen
wir dennoch nicht die Gefahren iibersehen, die mit königlichen Privi-
legien und mit den Eidbindungen freier Hauptlinge an den König
verkniipft waren.
In den 1020er-Jahren gab es dynamische Krafte, die nach grösser-
en Staatenbildungen im Nordseeraum strebten, und der begabte Ólafr
Digri wusste dies; er wollte sein Reich vergrössern. Im 13. Jahr-
hundert naherte sich die Schicksalsstunde des islandischen Frei-
staates. Sein Gleichgewicht war gestört. Der norwegische König
wollte einen neuen Vertrag mit Island, und zwar einen Vertrag, der
mit islandischen Huldigungseiden bekraftigt wurde.
Die Wirkung der den Freistaat bedrohenden Krafte muss náher
betrachtet werden.
Mit dem Sieg Knuts der Grossen in England und des Ólafr Digri
in Norwegen, und in Irland nach der Schlacht bei Clontarf (Dublin,
1014) hatte die Wikingerzeit — ausserhalb des baltischen Raumes —
ein jáhes Ende gefunden. Viele fuhlten sich daher bereit, den Königen
zu huldigen, andere aber kannten nur Hass. Beides stárkte das
Königtum. Die feste Regierung Ólafr Digris (1014—1028) und sein
endgiiltiger Sieg post mortem (1035) schaffte die notwendigen — im
10. Jahrhundert noch fehlenden — Voraussetzungen fur des Bestehen
eines zwischen-staatlichen Vertrages. Zu derselben Zeit hatte der
islándische Freistaat, vom Gesetzsprecher Lög-Skafti gelenkt und
das Christentum bejahend, eine beginnende Friedensperiode („frið-
aröld"). Das Zutrauen zum Freistaat als Vertragspartner wurde da-
durch gestárkt. Fiir den Vertrag von 1022 wurde entscheidend, dass
er zu einem richtigen Zeitpunkt zustande kam. Wáre Ólafr Digris
Versuch der Unterwerfung in dieser Zeit gelungen, dann hatte spáter
uiemand diese Unterwerfung ruckgángig machen können, und um so
gleichgeschalteter und ármer hátte dann die hochmittelalterliehe
Verfassungsgeschichte im Norden ausgesehen. Islands kulturelle
Eigenart hátte sich dann wohl nicht entvickeln können. Um den
Freistaat zu erobern, musste der König statt kostspieliger Blockaden
oder Kriege friedlichere Methoden wáhlen. In den 1020er-Jahren und
nicht minder im 13. Jahrhundert versprachen Geduld und persön-
liche Verbindungen des Königs mit den Háuptlingen ihm bessere
Erfolgsaussichten fur seine Bestrebungen. In beiden Perioden griff
er nach der altbewáhrten Methode der Sicherstellung von Geiseln.
■Die háufigen Reisen dazu geeigneter Islánder in und nach Norwegen
erleichterten ihm sein Vorgehen. Er fand es aber ratsam, auch dies
■^ittel nur sparsam anzuwenden. Er wollte in Kriegs- und Frieden-
Zeiten nicht unzuverlássige Geiseln um sich haben, sondern er
"'iinschte viele treue Islánder in seinem Gefolge. Eine Reihe vor-
hehmer Islánder wurde Ólafr Digris „hirðmenn". Eine besondere
°lle spielten hier die Dichter (skáld). Mehr als zehn islándische
■chter befanden sich zeitweilig bei ihm, ihre Werke beweisen uns
les. Da die Dichter jener Zeit öfters Kaufleute wurden und ihre