Milli mála - 01.06.2016, Page 258
KUNST UND VANDALISMUS IM ZEICHEN DER MODERNE
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kann. Denn so gefährlich Glücksversprechen sind, die aus der
Reklame in die Unselbständigkeit führen können, so wenig sollten
wir uns der Lebensfreude auch in Zeiten des Niedergangs verschlie-
ßen. Unmenschlich gar ist die Verachtung des Diesseits um des
Jenseits willen, wie wir sie heute bei den Islamisten erleben.
Was bedeutet das für eine Ästhetik in unseren finsteren Zeiten?
Darum wird es im diesem Artikel gehen. Zunächst möchte ich zum
Bewusstsein der Modernität hinführen. Denn hierin liegt unsere
große geschichtsphilosophische Herausforderung. Das Christentum
hatte die Menschen gelehrt, Natur und Geschichte neben der Bibel
als zwei der drei großen Bücher Gottes zu lesen. Die christliche
Kunst schreibt die wechselnde menschliche Ordnung in diese
Bücher als Ausdruck göttlichen Willens ein. Der satanische
Verführer sorgt jedoch dafür, dass die Kunst als Illustration der
Theologie nicht ohne eine heimliche Ambivalenz ist. Der Feind
könnte ja nicht verführen, wenn er nicht anziehend wäre. Und der
ewige Tod ist die dauernde Drohung hinter allem künstlerischen
Streben.
Nun aber taucht die Moderne auf als Ausdruck der säkularen
Welt mit ihrer eigenen Dynamik, mit dem Begriff des Neuen und
der menschengeschaffenen Fremdheit der Welt. Im Mittelalter
dient der Unterschied zwischen den moderni und antiqui nur dazu,
die Beschäftigung der Christen mit dem Altertum zu rechtfertigen.
Hier gebraucht man Bilder wie: Zwerge auf den Schultern der
Riesen oder Bienen, die Honig aus giftigen Blumen saugen.
Obwohl der Begriff in der Renaissance kaum gebraucht wird, ent-
steht hier das Bewusstsein von der Moderne als etwas qualitativ
Neuem mit eigenem Recht. (Das Wort selbst wird in diesem Sinn
erst in der querelle des anciens et des modernes gebraucht.) Das bedeutet,
dass die Kunst von nun an neu sein soll, was sich zum Beispiel im
dolce stil novo äußert. Neu sein heißt, dass die Kunst immer auf der
Höhe der unterschiedlichen intellektuellen Errungenschaften sein
muss, die nicht zuletzt in der Kunst selbst erarbeitet werden.
Das Neue, mit dem wir nun konfrontiert werden, ist die reprä-
sentative Subjektivität. Sei es in den Naturwissenschaften die
Analyse des einzelnen Wissenschaftlers, der allgemeingültige