Milli mála - 01.06.2016, Qupperneq 262

KUNST UND VANDALISMUS IM ZEICHEN DER MODERNE
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steht in jedem Fall darin, will ich hinzuzufügen wagen, dass in der
standardisierten Kunst von damals bis in die Telenovelas unserer
Zeit Ambivalenz fehlt, von Heinrich Claurens Mimili (1816) bis zu
Rosamunde Pilchers erfolgreichen Fernsehliebesfilmen. Das
Glücksversprechen tritt an die Stelle des Gegenentwurfs.
Die augenfälligste Erscheinung der Standardisierung ist jedoch
die Industrialisierung. Joseph von Eichendorff nannte den Umbau
der preußischen Marienburg in eine Webereifabrik einen „moder-
nen Vandalismus“ (in den Tagebüchern von 1805/06), und 1856
klagt der alte Dichter in den Papieren eines Einsiedlers über den
Zugverkehr.14 Schon 1844 schreibt William Wordsworth Gedichte
und Leserbriefe gegen den Bau einer Eisenbahnlinie in seinem ge-
liebten Lake District, den nicht zuletzt seine Gedichte berühmt
und für Touristen attraktiv gemacht hatten, und noch 1874 nimmt
John Ruskin das romantische Projekt auf und baut zusammen mit
Oscar Wilde und anderen Studenten eine mit Blumen geschmück-
te Landstraße, die sich harmonisch den Kurven der Landschaft an-
passen sollte.
Das Projekt der deutschen Romantiker, das in der Kunst des
gesamten Kontinents seine Spuren hinterlassen hat, ist allumfas-
send: gesellschaftlich, philosophisch, wissenschaftlich und künstle-
risch. Zurückgehend auf gnostisches Denken – Schelling schrieb
seine Dissertation über den paulinischen Gnostiker Marcion, –
trennt es die Welt in einen äußeren mechanischen, zahlenmäßigen
und standardisierten Teil, den man vandalistisch nennen kann, und
eine ursprüngliche göttliche Natur. Diese ist geordnet – hier greift
man neuplatonisches Denken auf – durch ein Netzwerk aus
Analogie- und Sympathieketten. Dieses Netzwerk, gestaltet von
der Liebe, äußert sich in der materiellen Welt vor allem durch den
Magnetismus. Ihn untersuchte der romantische Naturforscher
Johann Wilhelm Ritter, der den Dänen Hans Christian Ørsted be-
einflusste. Wichtiger als der mineralische Magnetismus, sowohl für
die zeitgenössische Medizin wie für die romantische Literatur, war
der animalische, bzw. die Psychologie, die unter dem Einfluss von
14 Ich danke Ana-Stanca Tabarasi-Hoffmann für den Hinweis.