Árbók Landsbókasafns Íslands - Nýr flokkur - 01.01.1991, Blaðsíða 71
BROT ÚR BARNAPRÉDIKUNUM
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Das Buch ist eine Úbersetzung von Kinderpredigten, die erstmals 1539 in
Wittenberg herausgegeben wurden und von Justus Jonas, einem der engsten
Mitarbeiter Luthers, ins Lateinische iibersetzt worden waren. Vorlage ftir die
lateinische Úbersetzung waren Kinderpredigten auf deutsch, die erstmals 1533
in Nurnberg gedruckt worden waren, und zwar in Zusammenhang mit der
Einfúhrung einer neuen Kirchenordnung fur die Markgrafschaft Brandenburg
und die Stadt Núrnberg in diesem Jahr. Die deutschen Predigten wurden von
Andreas Osiander, einem der ersten lutherischen Pfarrer in Núrnberg, verfasst.
Es hat sich herausgestellt, dass ein Fragment in der Arnamagnáanischen
Sammlung in Kopenhagen, AM 667 XV 4to, der Rest einer Handschrift mit
Oddur Gottskálkssons Úbersetzung ist. Das Fragment besteht aus zwei zusam-
menhángenden Bláttern und enthált die zweite Hálfte einer Predigt úber das
dritte Gebot von der Heiligung des Feiertages.
Das Fragment stammt offenbar von derselben Hand wie eine Urkunde aus
dem Jahre 1569; wie vor einiger Zeit gezeigt wurde, stammen von derselben
Hand auch eine interlineare islándische Úbersetzung des Psalters und das
Fragment einer Ecclesiasticus-Úbersetzung. Kleine Abweichungen in Schrift
und Orthographie deuten darauf hin, dass diese zwei Manuskripte álter als die
Urkunde von 1569 sind, wohingegen das Fragment der Kinderpredigten
wahrscheinlich etwas júnger ist. Der Schreiber war sicher Ostislánder, denn die
Orthographie weist ostislándische Zúge auf, die Urkunde wurde in Ostisland
ausgefertigt und zwei der Fragmente lassen erkennen, dass sie sich im 17.
Jahrhundert in diesem Teil des Landes befanden.
Ein Vergleich zwischen dem islándischen Textfragment und der lateinischen
Vorlage zeigt, dass es sich um eine geschickt und gewissenhaft ausgefuhrte
Úbersetzerarbeit handelt. Nur drei weniger bedeutsame Wörter sind úbersprun-
gen und man findet nur áusserst wenige Ungenauigkeiten, unter ihnen aller-
dings einen komischen Leichtsinnsfehler, wo Oddur bei einer Aufzáhlung von
Tátigkeiten, die den Feiertag entweihen, offenbar ’symphoniis’ statt ’symposiis’
gelesen und mit ’hljóðfærasöngum ónýtum’ úbersetzt hat.
Lehnwörter sind verháltnismássig sparsam verwendet, was darauf zurúck-
gehen kann, dass der Text aus dem Lateinischen und nicht aus dem Dánischen
oder Deutschen úbersetzt ist. Andererseits gibt Oddur sehr genau Substantive
durch Substantive wieder, und der lateinische Text hat eine ganze Reihe von
diesen, wo im deutschen Originaltext Verben stehen, was besser zu einem
mundgerechten islándischen Text gepasst hátte.
Das Fremdartigste an Oddurs Úbersetzung betrifft die Syntax, teils die
Wortfolge und teils den Gebrauch von Konjunktionen, u.a. ’það’ (von deutsch
’dass’) fur das normale islándische ’að’.
An der Behandlung von Verbalformen fállt auf, dass bei der Úbersetzung von
Futurum und bestimmten Fállen von Prásens Konjunktiv und Imperativ biswei-
len in Úbereinstimmung mit der spátmittelalterlichen Schulgrammatik ein
Hilfsverb verwendet wird.
Oddur Gottskálksson verfugte úber einen sehr grossen aktiven Wortschatz.
Das geht zum einen daraus hervor, dass einige der lateinischen Wörter, die mehr
als einmal im Text vorkommen, durch verschiedene islándische Ausdrúcke