Gripla - 20.12.2007, Blaðsíða 158
GRIPLA
4 Ein neulich erschienener Forschungsbericht von Anders Cullhed zeigt, welch interessante
Aspekte die Diskussion der Barocktexte in den romanischen Literaturen eröffnet (vgl.
Cullhed 2006).
vielleicht etwas ausführlicher hätte getan werden können.4 Vermutlich hätte
sich auch ein komparativer Blick auf die polnische Barockliteratur gelohnt. –
Danach wird die Barockdiskussion in den skandinavischen Ländern nachge-
zeichnet, zuerst in Dänemark (mit Ejnar Thomsen, Erik Sønderholm, Frederik
Stjernfelt, Eira Storstein/Peer E. Sørensen, Torben Jelsbak als wichtigsten
Namen), danach in Schweden (Magnus von Platen, Bernt Olsson, Kurt Jo-
hannesson, Stina Hansson, Mats Malm) und zuletzt in Norwegen (Kjell
Heggelund, Laila Akslen, Jørgen Sejersted). Vor allem in der schwedischen
Literaturwissenschaft ist bekanntlich in den letzten zwei Jahrzehnten über die
Brauchbarkeit des Terminus ‚Barock’ heftig gestritten worden. Eine von Jürg
Glauser und Barbara Sabel edierte Sammlung spricht denn an Stelle von
Barock auch vager von ‚früher Neuzeit’ (vgl. Glauser/Sabel 2002). Der Fors-
chungsbericht macht deutlich, wie einflussreich Wilhelm Frieses Habilita-
tionsschrift Nordische Barockdichtung auch für den Diskurs in den skandi-
navischen Ländern gewesen ist (vgl. Friese 1968). – Als nächstes skizziert die
Verf. die Entwicklung in der isländischen Literaturwissenschaft, die für die
Literatur des 17. Jahrhunderts seit Sigurður Nordal den Begriff lærdómsöld
verwendete (vgl. Sigurður Nordal 1924) und erst seit den 1960er Jahren
(Stefán Einarsson, Sverrir Tómasson), aber immer noch mit Zurückhaltung,
von einem Barockstil bzw. einer Barockepoche sprach. Neuerdings wird auch
im isländischen Kontext Barock in Bezug auf die Theologie (Gunnar Kristj-
ánsson) oder allgemein die Kultur (Loftur Guttormsson) benutzt. Mit Aus-
nahme von Árni Sigurjónsson, der sich 1995 als erster isländischer Litera-
turwissenschaftler besonders mit dem Barockbegriff auseinandergesetzt hat
(vgl. Árni Sigurjónsson 1995), hat ‚Barock’ bisher allerdings in der literatur-
wissenschaftlichen Diskussion keine nennenswerte Rolle gespielt, und das
ausgesprochene Ziel der Verf. ist es, mit ihrer Untersuchung einen ersten
Schritt in diese Richtung zu tun (vgl. S. 42).
Das Kapitel 2 resümiert mit der Auseinandersetzung um den Begriff des
literarischen Barocks eine Diskussion, die zumindest in der deutschsprachigen
Germanistik eine geradezu paradigmatische Funktion übernommen hat. Es
geht hier, das zeigen die Beispiele, die die Verf. vor allem aus der schwedi-
schen, aber durchaus auch der eigenen, also der isländischen Literaturwissen-
schaft anführt, um die Kernfrage, ob und ggf. wie Literatur in historischer Per-
spektive betrachtet werden kann, d.h. noch konkreter, ob und ggf. wie Litera-
156