Gripla - 20.12.2007, Blaðsíða 171
ANDMÆLARÆÐUR
teren kulturgeschichtlichen Sinn, wie etwa in der literarhistorischen Gegen-
überstellung von Magnús Ólafsson (Renaissance) und Stefán Ólafsson
(Barock) in Kapitel 6 und 7.
Auch das methodische Vorgehen von Margrét Eggertsdóttirs Untersuchung
ist wiederholt charakterisiert worden. Meines Erachtens liegt hier der
entscheidende Erkenntnisgewinn ihrer Abhandlung. Es ist die Rede von einer
fundierten Studie der rhetorischen Aspekte der Dichtung Hallgríms, wobei die
Verf. einen historischen, klassischen Rhetorikbegriff zugrundelegt und nur
ganz selten in Form von Forschungsreferaten auf die dekonstruktivistische
Rhetorikkonzeption eingeht.
Die Fortschritte gegenüber der früheren Forschung werden an zahlreichen
Beispielen evident und zwar vor allem dort, wo sich die Verf. konkret auf
diese ältere, meist eben biographistisch oder neukritisch argumentierende
Sekundärliteratur bezieht (sie sind im obigen Referat zum Teil genannt,
ergänzt werden können u.a. S. 36 und S. 139). Auch hier hätte man sich
manchmal eine etwas dezidiertere Kritik an diesen Positionen gewünscht.
Alles in allem ist der Verf. eine wunderbare Analyse eines Fallbeispiels von
Dichtung im Zeitalter der Variationspoesie gelungen, während die meisten
Forscher, die sich zuvor mit der isländischen Barockliteratur beschäftigt hat-
ten, diese nach den Normen der modernen Innovationspoesie beurteilten (die
Begriffe ‚Variations-’‚ bzw. ‚Innovationspoesie’ gehen in dieser Form auf
Stina Hansson zurück). Insofern ist Margrét Eggertsdóttirs Buch ein großer
Schritt in Richtung einer Historisierung der Auseinandersetzung mit der vor-
modernen Literatur. Dass jedoch auch mit der von ihr verwendeten Methode
gewisse Nachteile verbunden sind, lässt sich nicht übersehen. Diese sind ge-
wissermaßen der historischen Rhetorik inhärent: Da in den Analysen immer
wieder und zurecht auf die rhetorische Basis der barocken Texte rekurriert
wird, besteht die Gefahr von Wiederholungen, im schlimmsten (hier natürlich
nicht eingetretenen) Fall von starren Anwendungen von Begriffen, Beschrei-
bungen, Benennungen ohne Interpretationen. Die sehr umfangreiche Arbeit,
die hier vorgelegt wurde, schafft es, dieser Gefahr fast überall zu entgehen,
denn die Detailstudien, aber auch die Zusammenfassungen und Überblicke
enthalten in der Regel ausgezeichnete Textdeutungen. Es besteht jedoch auch
in dieser Untersuchung eine gewisse Tendenz, rhetorische Stilmittel als
solche festzustellen und es manchmal dabei zu belassen.
Auf die Problematik, dass als ‚barock’ bezeichnete Elemente auch außer-
halb von Barocktexten vorhanden sind, wurde wiederholt hingewiesen. Sie
hängt mit dem Umstand zusammen, dass die vormoderne Rhetorik und Poetik
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