Gripla - 20.12.2007, Blaðsíða 173
ANDMÆLARÆÐUR
strichen hat und die ihn zum Vertreter des 17. Jahrhunderts gemacht haben?
Wie ist diese ‚Entbarockisierung’, wenn es eine war, konkret vor sich
gegangen? Indem sich die Verf. stark an die klassische Ausrichtung der
historischen Rhetorik anlehnt, betont sie vor allem die Produktionsaspekte der
Dichtung von Hallgrímur Pétursson. Wie ausführlich dargestellt worden ist,
werden seine Voraussetzungen und Hintergründe in der gelehrten Dichtung
des 17. Jahrhunderts außerordentlich gründlich und kompetent behandelt und
es wird einleuchtend dargestellt, warum bei seinen Gedichten von Barock-
texten gesprochen werden kann. Was dabei etwas in den Hintergrund geraten
ist, sind jene Aspekte, die mit der Lektürepraxis zu tun haben. Wie u.a. Stina
Hansson, z.B. in einem von der Verf. zitierten Aufsatz (Hansson 2002), ge-
zeigt hat, spielt im 17. Jahrhundert die Rolle der Oralität – besser der Vokali-
tät – eine nach wie vor wesentliche Rolle. Wie die Verf. selbst immer betont,
sind im barocken Text die Klanglichkeit, Stimmhaftigkeit, das Vokale von aus-
schlaggebender Bedeutung. Ich würde vermuten, dass eine genauere Analyse
solcher medienhistorischen Fragen auch den Texten Hallgrímur Péturssons
zusätzliche interessante Dimensionen eröffnen könnte.
Gesamthaft ist Margrét Eggertsdóttir mit ihrer Untersuchung ein großes
Werk gelungen. Es ist mit spürbarer Freude am Thema geschrieben, und diese
Faszination am Lesen barocker Texte überträgt sich auf die Lektüre der
vorliegenden Studie. Ein nicht geringes Verdienst ist es beispielsweise, dass
Margrét Eggertsdóttirs Arbeit geeignet ist, die Geräusche und Düfte dieser
Poesie hör- und riechbar zu machen. Die barocke Rhetorik findet sozusagen
ihren Niederschlag in der Schreib(- und Wirkungs)weise von Barokkmeist-
arinn. Wie Hallgrímur Pétursson in seinem Barocktext
Upp, upp, mín sál og allt mitt geð
upp mitt hjarta og rómur með.
Hugur og tunga hjálpi til.
Herrans pínu ég minnast vil
setzt Margrét Eggertsdóttir in ihrem Text sämtliche sprachlichen Mittel der
Beeinflussung und Überzeugung ein, um den Leser zu belehren. Ihr Buch
über Hallgrímurs barocke Texte ist trotz seines Umfangs an keiner Stelle lang-
weilig, sondern durchwegs ungeheuer anregend. Viele Fragen, die sich einem
bei seiner Lektüre ergeben, können erst jetzt richtig gestellt werden, und man
darf fragen, ob es ein größeres Kompliment für eine wissenschaftliche Arbeit
gibt.
171