Gripla - 20.12.2007, Blaðsíða 162
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es zu teilen scheint (vgl. 101), in ihrer großangelegten Darstellung der
literarischen Kultur Islands im 17. Jahrhundert die Bedeutung des zweiten
Barockdichters, Jón Vídalín, allgemein eher etwas spärlich beleuchtet.
Angesichts der Tatsache, dass vor dem Werk des unbestrittenen ‚Barock-
meisters’ zwei — wiederum ganz hervorragende — Kapitel für Magnús
Ólafsson í Laufási und Stefán Ólafsson í Vallanesi verwendet werden, kann
man sich fragen, ob nicht auch dem Bischof von Skálholt, Jón Vídalín, mit
Gewinn ein längerer, eigener Abschnitt hätte gewidmet werden können.
Auch scheint mir die Rolle von Brynjólfur Sveinsson in dem großen literar-
historischen Panorama, das dieses Buch entwirft, etwas zu kurz zu kommen,
obwohl es zugegebenermaßen unfair ist, von einer so umfänglichen Unter-
suchung noch mehr zu verlangen.
Kapitel 6 („Endurreisnarmaðurinn Magnús Ólafsson í Laufási“, S.
107–128) ist also ein Portrait dieser interessanten, hochproduktiven Über-
gangsfigur zwischen Reformationszeitalter und 17. Jahrhundert (vgl. S. 109).
Die Verf. vermittelt vor allem einen detaillierten und präzisen, durch an-
schauliche Textanalysen gestützten Einblick in Magnús’ literarische Tätigkeit
und seine rhetorischen Innovationen. Eine schöne Analyse des Erfikvæði über
Einar Sigurðsson í Eydölum zeigt beispielsweise die Kombination klassischer
und einheimischer (hier skaldischer) Traditionslinien, die sich in der
gekonnten Verwendung der rhetorischen Gliederungsprinzipien wie auch der
ebenso souveränen Beherrschung der Kenningtechniken niederschlägt und zu
einer grandiosen Allegorie führt (vgl. S. 116–121).
Kapitel 7 („Barokkskáldið Stefán Ólafsson í Vallanesi“, S. 129–158) be-
handelt im Rahmen eines Überblicks und einiger ausgezeichneter Analysen
das Werk von Stefán Ólafsson, der gegenüber dem ‚Renaissancemenschen’
Magnús Ólafsson in jeder Hinsicht ein Vertreter des neuen Jahrhunderts und
als Barockautor in vielerlei Hinsicht ein Gegenpol von Hallgrímur Pétursson
ist (vgl. 158). Als ‚Horaz Islands’ (so Bischof Finnur Jónsson, vgl. S. 132) er-
neuert er wie kein anderer die isländische Literatur im 17. Jahrhundert, nicht
nur, indem er beispielsweise mit der hestavísa eine eigene literarische Gattung
schafft, sondern indem er sich in zahllosen Stilen, Genres und Themen im
ganzen breiten Spektrum barocker Dichtung versucht und dieses für die is-
ländische Dichtung erweitert. Die Verf. kann dank ihrer rhetorisch ausgerich-
teten Vorgehensweise zeigen, dass der Stefán zugeschriebene Psalm Herra, þér
skal heiður og virðing greiða eine Übersetzung eines Lieds von Petter Dass ist.
Überhaupt weist die Verf. ganz richtig auf die umfangreiche Vermittlungs- und
Übersetzungstätigkeit Stefáns hin, die etwa auch in der Hirtendichtung
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