Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1938, Blaðsíða 93
DIE NORDISCHE ZUSAMMENARBEIT
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Wenn man von der gemeinsamen nordischen Gesetzgebung
spricht, meint man damit natiirlich nicht, dass ein und dasselbe
Gesetz im ganzen Norden geltende Kraft haben könnte. Das ist
schon deshalb ausgeschlossen, weil es kein Organ gibt, das zu-
stándig wáre, fíir die nordischen Staaten gemeinsame Gesetze zu
priifen, zu beschliessen und zu erlassen. Jedes der nordischen
Lánder hat deshalb sein Ehegesetz, sein Vertragsgesetz, sein Kauf-
vertragsgesetz, sein Seerecht u. s. w., und wenn man das Gesetz
in dem einen oder dem anderen dieser Fálle als nordisch bezeich-
net, so meint man damit nur, dass die betreffenden nationalen
Gesetze auf Grund gemeinsam beratener Entwiirfe zustande ge-
kommen sind und dass sie dem Inhalte nach gánzlich oder we-
nigstens in der Hauptsache iibereinstimmen. Die Gesetzgebung
ist also von den zustándigen Organen der einzelnen Lánder ord-
nungsgemáss gepriift worden. Bei dieser Priifung können sich,
ebenso wie bereits bei Bearbeitung des Entwurfs, Abweichungen
als notwendig erweisen. Und auch in den Teilen, in denen schon
tJbereinstimmung erzielt ist, steht es im allgemeinen jedem Lande
frei, Anderungen vorzunehmen.
Gemeinsame Gesetzgebung bedeutet also durchaus nicht, dass
die einzelnen nordischen Staaten ihr Selbstbestimmungsrecht auf-
gegeben haben. Nur ausnahmsweise kommt es vor, dass sie auf
vertragsmássigem Wege ihre Handlungsfreiheit in grösserer oder
geringerer Ausdehnung binden, natiirlich unter Vorbehalt der
Kiindigung des Vertrags laut Obereinkommen. Die Gewáhr da-
fiir, dass die einmal gewonnene Rechtsgleichheit aufrecht erhalten
wird, liegt somit zunáchst in der Schátzung des Werts des Geset-
zes an sich und in der Bedeutung der Rechtsgemeinschaft. Die
Erfahrung zeigt, dass diese Gewáhr geniigt. Entsteht in einem der
Lánder die Frage grösserer Anderungen eines Gesetzes, das in
der eben angefiihrten Weise gemeinsam ist, so pflegt man die
iibrigen Lánder zur Teilnahme an der Revisionsarbeit einzuladen.
Die gemeinsame Arbeit hat sich, wie schon erwáhnt, iiber ein
sehr weites Gebiet erstreckt. In der Hoffnung, einmal zu einem
skandinavischen Handelsgesetzbuch zu kommen, begann man in
der zweiten Hálfte der i87oer Jahre mit gewissen Teilen des
Handelsrechts, und die skandinavischen Wechselgesetze von 1880
machten das erste Ergebnis aus. Seitdem wurde fiir folgende
Gebiete vermögensrechtlicher Natur eine mehr oder minder voll-
stándige Rechtseinheit zustande gebracht: Kauf und Tausch von