Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1938, Blaðsíða 371
CHRONIQUE TRIMESTRIELLE
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in Danemark und den iibrigen nor-
dischen Staaten nur mit Befriedi-
gung aufgenommen werden.
In der inneren Politik steht seit
Monaten die Frage der Verfassungs-
reform im Mittelpunkt der öffent-
lichen Diskussion. Die jetzige dani-
sche Verfassung wurde am 5. Juni
1915 angenommen. Seit den siebzi-
ger und achtziger Jahren hatte die
Linke einen heftigen Kampf gegen
die bestehenden Privilegien befiihrt,
vornehmlich gegen das privilegierte
Wahlrecht zur Ersten Kammer, das
auf dem Lande an den Grossgrund-
besitz, in den Stádten an einen ge-
wissen, iibrigens recht beschránkten
Steuerzensus gekniipft war. Durch
die Verfassungsánderung von 1915
wurden sámtliche Privilegien aufge-
hoben, und die neue Verfassung auf
der restlosen Durchfiihrung des all-
gemeinen, gleichen und geheimen
Wahlrechtes zu beiden Kammern
aufgebaut. Aktives und passives
Wahlrecht zum Folketing erhielten
alle 25-jáhrigen dánischen Staats-
biirger mánnlichen und weiblichen
Geschlechts. Die Wahlen zum
Landsting waren indirekt, und das
Recht zur Teilnahme an diesen
ward den álteren Wáhlerklassen
vorbehalten, indem das Wahlrecht
zum Landsting nur denjenigen ge-
wáhrt wurde, die das 35. Lebensjahr
vollendet hatten. Irgend ein Steuer-
zensus o. á. besteht seit 1915 nicht.
Die Zweite Kammer wird auf vier,
die Erste Kammer auf acht Jahre
gewáhlt, letztere mit der Massgabe,
dass die Neuwahlen alle vier Jahre
fiir die jeweilige Hálfte der Mit-
glieder dieser Kammer stattfinden
sollen. Der König hat das uneinge-
schránkte Recht, die Zweite Kam-
mer aufzulösen, wáhrend fiir die
Auflösung der Ersten Kammer be-
sondere Regeln gelten, die eine sol-
che sehr erschweren. Im Gesamt-
rahmen der Verfassung von 1915
ist mithin die Erste Kammer sowohl
auf Grund der Wáhlerbasis, auf der
sie ruht, als auch in Folge der lan-
gen Wahlperiode und der Schwie-
rigkeit ihrer Auflösung als ein re-
gulierendes und retardierendes Ele-
ment gegeniiber dem leichtauflös-
baren, nur fiir vier Jahre von allen
25-jáhrigen Staatsbiirgern gewáhl-
ten Folketing anzusehen. Die politi-
sche Entwickelung gestaltete sich
nach dem Kriege dermassen, dass
die Mehrheit des Folketings wech-
selte — 1920—24 eine Mehrheit
der gemássigten Linken und Kon-
servativen, 1924—26 eine sozialde-
mokratisch-radikale Mehrheit, 1926
—29 wiederum dieselbe Konstella-
tion wie 1920—24 und seit 1929
abermals eine radikal-sozialdemo-
kratische Mehrheit, — wáhrend die
gemássigte Linke und die Konserva-
tiven stándig im Landsting das
Ubergewicht hatten bis September
1936. Von Seiten der Sozialdemo-
kraten und der Radikalen wurde
der Ersten Kammer der Vorwurf
gemacht, dass sie die von dem aus
dem allgemeinen Wahlrecht hervor-
gegangenen Folketing gewiinschten