Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1938, Blaðsíða 379
CHRONIQUE TRIMESTRIELLE
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Wenn aber die dem Bunde ange-
schlossenen Grossmáchte zögern, in
diesem Sinne zu handeln — z. B.
in einem Falle, in dem eine Gross-
macht die hohen Grundsátze der
Bundessatzung verletzt und eine
Grossmacht nach der anderen der
Meinung ist, dass ihre Handlungs-
freiheit durch die Zugehörigkeit
zum Völkerbunde zu stark beein-
tráchtigt wird, bezw. aus diesem
oder aus irgendeinem anderen
Grunde aus dem Bunde austritt, —
dann muss die Autoritát desselben
unbedingt Schaden leiden.
Die Sicherheitsgarantieen des Völ-
kerbundes haben auch meistens ver-
sagt, wo von der Verteidigung eines
schwácheren Staates die Rede war.
Mehrere Staaten sind aus dem
Völkerbunde ausgetreten. Wáhrend
einige Staaten — sich auf die Be-
deutung des Völkerbundes verlas-
send — ihre Riistungen beschránk-
ten, haben andere dieselben bis aufs
Ausserste verstárkt. Dies hat das
von der Völkerbundsidee vorausge-
setzte Vertrauen zwischen den Völ-
kern insSchwanken gebracht, bezw.
ein unerhörtes Wettrusten zur Folge
gehabt, wobei es letzten Endes nur
darauf ankommt, wer mit Bezug
auf seine Hilfsquellen am lángsten
aushalten kann. Anstatt des inter-
nationalen Rechts und der bei der
Griindung des Völkerbundes vor-
ausgesetzten Sicherheitsgarantieen
macht sich immer deutlicher das
Recht der Gewalt, d. h. eine inter-
nationale Rechtlosigkeit geltend.
Die kleinen Völker hatten auf
den Völkerbund grosse Hoffnungen
gesetzt, unter diesen auch das fin-
nische Volk. Sie haben auch alle —
einige mit stárkerer, andere mit ge-
ringerer Wárme — den Bund unter-
stiitzt. So wie sich die Lage gegen-
wártig entwickelt hat, sind sie ent-
táuscht.
Eine reale Priifung der Fragen
hat ergeben, dass sie sich nicht
darauf verlassen können, dass der
Völkerbund in diesem Augenblick
imstande sein sollte, ihr Dasein zu
schiitzen.«
Der Ministerprásident beriihrte
danach die Annáherung Finnlands
an Skandinavien sowie den Paral-
lelismus der Aussenpolitik Finn-
lands und der skandinavischen Lán-
der und fuhr fort:
»Die skandinavischen Staaten be-
sitzen aus der Zeit des Weltkrieges
die Erfahrung, dass sie in festem
Einverstándnis miteinander — auch
in den schlimmsten Wirren des Krie-
ges — imstande waren, ihre Neu-
tralitát zu bewahren. Die Bestre-
bungen Finnlands liegen auf der
gleichen Linie. Zwischen den Völ-
kern des Nordens, Finnland inbe-
griffen, gibt es keine Zwistigkei-
ten, deren Regelung zu wirklichen
Schwierigkeiten Anlass geben könn-
te. Kein einziger Soldat braucht die
Grenzen zwischen diesen Staaten
zu bewachen. Sie bilden eine
selbstverstándliche Gesamtheit, die
grosse Möglichkeiten besitzt, auch
dann ihre Neutralitát aufrechter-
halten zu können, wenn anderswo
in der Welt schwere Stiirme rasen.