Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1938, Blaðsíða 380
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LE NORD
Sie sind auch sowohl jeder sich sel-
ber als einander gegenuber ver-
pflichtet, sich um die Bewahrung
dieser Neutralitat ernstlich zu be-
muhen.«
Finnland hat unter den skandi-
navischen Landern eine Sonderstel-
lung und zwar dadurch, dass es vor
allem seinem Brudervolk Estland
gegeniiber nahe Freundschaft em-
pfindet. Nachdem der Ministerpra-
sident auf diese Tatsache hingewie-
sen hatte, machte er darauf auf-
merksam, dass dieselbe ideelle
Grundlage, welche die Völker des
Nordens verbindet, in ihnen auch
Sympathieen fiir die grossen Demo-
kratieen West-Europas, England
und Frankreich, erweckt.
Das zwischen verschiedenen Völ-
kem durch eine gemeinsame Ideen-
basis geschaffene Einverstandnis
und dessen Bedeutung soll man je-
doch nicht iiberschatzen. Von die-
sem Gedanken ausgehend charakte-
risierte Ministerprásident Cajander
die Beziehungen Finnlands zu Sow-
jet-Russland und Deutschland auf
folgende Weise:
»Unser Grenznachbar im Osten
ist Russland. Auf Grund jahrhun-
dertelanger historischer Erfahrun-
gen konnte Finnland nicht umhin,
das zaristische Russland als seinen
Gegner zu betrachten. Die Epochen
solcher Finnland gegeniiber edelmii-
tiger Grossfiirsten, wie es Alexan-
der I und II waren, — Zeitabschnit-
te, die die schönsten Phasen unserer
Geschichte darstellen —, haben
nicht vermocht, hinsichtlich dieser
Grundeinstellung eine durchgrei-
fende Anderung zu bewirken, vor
allem, weil die Periode Bobri-
koffs und Seyns geeignet war, iiber
die friiheren gliicklicheren Verhált-
nisse einen finsteren Schatten zu
werfen. Die Struktur der gegenwár-
tigen Union der Sozialistischen
Sowjet-Republiken unterscheidet
sich wesentlich von der unseren.
Aber das Schicksal hat Finnland
und Sowjet-Russland zu Grenznach-
baren bestimmt, und diese Tatsache
miissen wir als solche in Betracht
ziehen.
Es obliegt uns, zu Sowjet-Russ-
land so gute Beziehungen aufrecht-
zuerhalten, wie es Russland bereit
ist, uns gegeniiber zu tun — Be-
ziehungen, die mit unseren Interes-
sen und mit der geopolitischen Lage
unseres Landes in Ubereinstimmung
sind.
Den auf unserer Ostgrenze vor-
gefallenen aufregenden und bedau-
erlichen Zwischenfállen miisste mit
beiderseitigem guten Willen endlich
ein Ende gemacht werden können.
Nur durch die Ostsee von uns ge-
trennt ist unser Nachbar im Siiden,
— eine zweite Grossmacht, Deutsch-
land. Im Laufe der Jahrhunderte
haben wir von Deutschland ausser-
ordentlich zahlreiche Kulturimpulse
empfangen, und die wirtschaftliche
Wechselwirkung ist lebhaft gewe-
sen. Die Kriegsoperationen Deutsch-
lands wáhrend der letzten Zeit des
Weltkrieges waren geeignet, unsere
eigenen Freiheitsbestrebungen zu er-
leichtern. Dies alles hat in unserem