Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1938, Page 92
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LE NORD
schon nach wenigen Jahren war man bereit, die gemeinsame Ge-
setzgebungsarbeit auf neue bedeutungsvolle Rechtsgebiete auszu-
dehnen. Anfangs nahmen an der Arbeit allein Dánemark, Nor-
wegen und Schweden teil. Nach der Befreiung von Russland
schloss sich auch Finnland an, wo man diesen Bestrebungen von
Anfang an mit Sympathie und Interesse gefolgt war und wo
man sich das Ergebnis der skandinavischen Gemeinschaftsarbeit
in gewissem Umfange zunutzen gemacht hatte. Die islándischen
Juristen nehmen nunmehr ebenso wie die finnischen als besondere
Gruppe an den nordischen Juristentagungen teil, und obwohl sich
Island in den von den nordischen Regierungen zwecks Vorberei-
tung der verschiedenen Gesetze ernannten Ausschiissen meistens
nicht vertreten liess, sind die von diesen ausgearbeiteten Entwiirfe
zum grössten Teil auch der islándischen Gesetzgebung einverleibt
worden.
Die gemeinsame Arbeit war hauptsáchlich auf Rechtsregeln
von allgemeiner Tragweite begrenzt; grösstenteils handelte es sich
um die Regelung des táglichen Lebens des Volkes, das Rechts-
verháltnis zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kin-
dern, Vormund und Miindel, die Rechtsauffassung in Handel
und Wandel u. s. w.
Es hat sein Interesse, die Arbeit, die seit langem zum Aufbau
einer einheitlichen, den Forderungen unserer Zeit angepassten nor-
dischen Gesetzgebung geleistet worden ist, mit entsprechenden
Einheitsbestrebungen in gewissen anderen Teilen Europas zu ver-
gleichen. In Deutschland und der Schweiz, wie friiher in Frank-
reich, war die Rechtseinheit eine spáte Frucht der politischen Ein-
heit. Hier im Norden ist sie das Ergebnis freien Zusammenwir-
kens zwischen selbstándigen Staaten. Die Arbeit ist ganz auf dem
Grunde der Freiwilligkeit aufgebaut und erstreckt sich nicht wei-
ter, als die in jedem Staate vorhandene Úberzeugung von ihrem
Nutzen. Es handelt sich hier durchaus nicht um die Durchfiihrung
einer Art allgemeiner kultureller Gleichschaltung, um die Aus-
tilgung historisch bedingter nationaler Eigenart. Derartige Ni-
vellierungsversuche wáren von mehreren Gesichtspunkten aus
nicht ratsam und sicher zum Misslingen verurteilt. Ihre natur-
lichen Lebensbedingungen hat die nordische gesetzgebende Ar-
beit auf solchen Gebieten, auf denen die Rechtsauffassung im
Grunde iiber den ganzen Norden dieselbe ist, und wo Abwei-
chungen zwischen den Gesetzen durch mehr oder minder zufál-
lige Umstánde zu erkláren sind. Hier bietet sich ein Arbeitsfeld,
das reich und bedeutsam genug ist.