Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1938, Page 95
DIE NORDISCHE ZUSAMMENARBEIT 87
der Lánder eröffneten Konkurs auch auf das in einem der anderen
Lánder befindliche Eigentum des Schuldners auszudehnen.
Auf dem Gebiete des Familienrechts, auf dem die Zusammen-
arbeit erst 1909 aufgenommen wurde, hat man bereits sehr bedeu-
tende Ergebnisse gezeitigt. So wurde der Hauptsache nach Einheit-
lichkeit im ganzen Eherecht und in gewissen angrenzenden Teilen
des Eltern- und Vormundschaftsrechts erzielt, ebenfalls in der
Adoptionsfrage. Betreffs Erbschaft, Testament und Testaments-
vollstreckung hat ein Arbeitskontakt zwischen Schweden und
Finnland stattgefunden. In Schweden ist eine neue Gesetzgebung
auf allen diesen Gebieten durchgefiihrt, jedoch noch nicht end-
gíiltig in Finnland. Eine beschránktere Zusammenarbeit hat zwi-
schen Dánemark und Schweden hinsichtlich der erbrechtlichen
Stellung des iiberlebenden Gatten beim Fehlen von Leibeserben
schon lángst zu positiven Ergebnissen gefiihrt. Um die auf den
erwáhnten Gebieten noch immer bestehenden Verschiedenheiten
zu neutralisieren, wurden zwischen den fiinf Lándern Konven-
tionen abgeschlossen, die von dem Grundgedanken getragen sind,
dass der Angehörige des einen Landes, der in einem der anderen
wohnhaft ist, in familienrechtlicher Beziehung den Gesetzen des
Landes folgen soll, in dem er seinen Wohnsitz hat.
Im Friihjahr 1938 ist zwischen Schweden und Norwegen auch
auf dem Gebiete des Strafrechts ein Zusammenwirken in die Wege
geleitet worden.
Zu den guten Ergebnissen hat in hohem Grade der Umstand
beigetragen, dass man von der Aufgabe der Gesetzgebung in allen
nordischen Lándern die gleiche prinzipielle Auffassung hat. Be-
sonders auf dem zentralen Gebiete des Vermögensrechts ist man
in dieser Beziehung in den europáischen Lándern verschiedenen
Linien gefolgt. Das deutsche Biirgerliche Gesetzbuch, das um die
Jahrhundertwende entstand, beruht auf dem Prinzip, dass das
Gesetz ein so vollstándiges System von Rechtsregeln umfassen
soll, dass man daraus durch Auslegung eine Lösung fast
aller erdenklichen Probleme ableiten kann. Dieses Ziel kann
jedoch nur dadurch erreicht werden, dass die Rechtsentwickelung
gewissermassen festgelegt wird und die Gerichte sich zuweilen
gezwungen sehen können, entgegen ihrer Auffassung von dem,
was im einzelnen Falle recht und billig ist, zu urteilen. Des Lebens
unendliche und stándig wechselnde Mannigfaltigkeit lásst sich
nicht in einem solchen System von Regeln einfangen und binden.
Keines Gesetzgebers Phantasie ist reich genug, um mit allen