Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1938, Síða 374
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LE NORD
ge von der Verwaltung; Anspruch
auf angemessene Entschádigung in
Enteignungsfállen und eventuelles
Berufungsrecht an die höchste ge-
richtliche Instanz; Sicherung der
Arbeitsfreiheit des einzelnen gegen
Obergriffe und Zwangsmassnah-
men seitens wirtschaftlicher Orga-
nisationen; Bestimmungen betref-
fend Vereins- und Versammlungs-
freiheit; Regelung der Beziehungen
zwischen Kirche und Staat und Si-
cherung des gegenwártigen Bestan-
des des kirchlichen Vermögens so-
wie der ausschliesslichen Verwen-
dung desselben zu kirchlichen
Zwecken usw. Ein besonders um-
strittenes Problem ist die Frage, ob
den Gerichten das Recht zusteht,
ein vom ReÍchstage angenommenes
Gesetz auf seine Verfassungsgemáss-
heit hin zu priifen und — gegebe-
nenfalls — dessen Anwendung als
verfassungswidrig abzuweisen. Ei-
nerseits haben die jetzigen Regie-
rungsparteien diese Frage prinzi-
piell verneint, andererseits besteht
de facto die Praxis, dass ein Pri-
vatmann, der bei der Durchfiih-
rung eines vom Reichstage ange-
nommenen Gesetzes seine Interessen
in einer nach seinem Dafiirhalten
verfassungswidrigen Weise geschá-
digt wáhnt, die betreffende Streit-
frage auf gerichtlichem Wege zum
Austrag bringen lassen kann. In
dem jetzt vorliegenden Verfassungs-
entwurf hat man, da in diesem
Punkte eine Einigkeit zwischen den
Konservativen und der Regierung
nicht erzielt werden konnte, die
Frage offen gelassen. Die soeben
erwáhnte Praxis besteht also auch
weiterhin zurecht.
Im jetzigen Reichstage kann die
Regierung mit der Mehrheit, iiber
die sie verfiigt, die Verfassungsre-
form jederzeit durchfiihren. Nach
Annahme des Entwurfs kann der
Reichstag in seiner Gesamtheit (bei-
de Kammern) aufgelöst werden.
Wenn der neugewáhlte Reichstag
der Abánderung der Verfassung in
der angenommenen Form zustimmt,
soll diese noch durch eine beson-
dere Volksabstimmung, an der alle
Folketingswáhler teilzunehmen be-
rechtigt sind, bestátigt werden. Hier
liegt ein gewisses Unsicherheitsmo-
ment, indem die geltende Verfas-
sung die endgiiltige Durchfiihrung
einer Reform nicht nur von einer
Mehrheit von Ja-Stimmen der an
der Volksabstimmung teilnehmen-
den Wáhler abhángig macht, son-
dern iiberdies vorschreibt, dass die-
se Mehrheit wenigstens der Zahl
von 45 % sámtlicher in die Wahl-
listen eingetragenen Stimmberech-
tigten, also auch der an der Ab-
stimmung nicht teilnehmenden
Wáhler, entsprechen soll. Wird
diese Ziffer nicht erreicht, fállt der
vom Reichstage angenommene Re-
visionsentwurf weg, und die bis-
herige Verfassung bleibt ungeándert
bestehen. Diese Bestimmung macht
die Mitwirkung einer der grossen
Oppositionsparteien erforderlich,
wenn die neue Verfassung durch-
gefiihrt werden soll. Der durch die
gesamte Verfassungspolitik in der