Greinar (Vísindafélag Íslendinga) - 01.01.1943, Síða 110
NEUISLANDISCHES SPRACHGUT
aus indogermanischer zeit
Von
Próf. ALEXANDEK JÓHANNESSON, dr. phil.
Als Island nach 870 von Norwegern besiedelt wurde,
brachten die neuen bewohner des landes eine reich ent-
wickelte sprache mit sich, die spáter Islándisch genannt
wurde. Die gemeinsame sprache des skandinavischen Nor-
dens, die urnordische sprache, ein abkömmling des indo-
germanischen, steht dem urgermanischen sehr nahe, ist
aber nicht mit dieser sprache als identisch zu betrachten,
wie einige sprachgelehrte behaupten wollen. Die urnor-
dischen runeninschriften, die spátere entwicklung der
skandinavischen sprachen, insbesondere der islándischen,
und der vergleich der gotischen sprache mit dem vor-
láufer des althochdeutschen, dem uralthochdeutschen, zei-
gen zur genuge, dass dialektische unterschiede des urger-
manischen sich kurz nach Christi geburt, wenn nicht
fruher, geltend gemacht haben. Dialektische unterschiede
sind ja nicht allein durch lautliche und flexivische sonder-
entwicklung bedingt, sondern werden durch das ganze
leben eines volkes, dessen erwerb, dessen tágliches leben
und streben, dessen verkehr mit den nachbarvölkern u.s.w.
bestimmt. Ein seefahrendes volk muss besonders viele
ausdrucke fur alles, was schiffbau und schiffswesen be-
trifft, fur wind- und wetterverháltnisse, von denen das
fahren auf dem meere so abhángig ist, besitzen. In naher
verbindung hiermit stehen ausdrucke fur allerlei eigen-
schaften eines solchen volkes, von tapferkeit und trotzigem
wesen bis zur mutlosigkeit und faulheit, dann namen von
handelswaren, die iibers meer gebracht werden u.s.w.
Ein ackerbau treibendes volk vermehrt dagegen im laufe