Saga - 1961, Blaðsíða 102
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UPPHAF KROFU UM ÞINGRÆÐI
in engem Kontakt mit den Vertretern des Volkes ware. Zwar er-
wartete man, dass eine nationale Regierung bei einer Politik, die
dem Lande zum Fortschritt verhelfen sollte, mit den Vertretem des
Volkes zusammenarbeiten wiirde. Aber die Garantie, die allein eine
Majoritatsregierung dafiir geben konnte, dass diese Zusammenarbeit
wirklich stattfinden wurde, wurde allgemein nicht verlangt. Ein
Aufsatz von Jón Ólafsson, “Andvari” 1881, deutete aber darauf hin,,
was kommen sollte. Hier wird das Wort “Parlamentarismus” (sic)
wohl schon zum ersten Male in öffentlicher Debatte auf Island be-
nutzt, und der Begriff wird als ein System definiert, in dem der
König immer nur die in seinem Ministerium hat, die das Vertrauen
der Mehrheit der Volksvertretung besitzen. Zugleich wird zum ersten
Male der Verfassungskampf in Dánemark als Argument fur be-
sondere Massregeln von seiten des Althings einbezogen: Annahme
eines Gesetzes uber die Ministerverantwortlichkeit, um Ausgabe
provisorischer Finanzgesetze1) zu vermeiden.
Das Jahr 1884 wurde der Wendepunkt in der politischen Ge-
schichte Islands seit der Einfuhrung der neuen Verfassung. Die
Ruhe, die das politische Leben seit 1874 gepragt hatte, wurde plötz-
lich von bisher ungekannten Versuchen, die Wáhler zu aktivisieren,
gebrochen, und nach 1884 war die Verfassungsrevision fur zwei
Jahrzehnte die brennendste Frage der islándischen Politik. Die Ver-
fassungsfrage war auf dem Althing von 1881 und 1883 auf Benedikt
Sveinssons Initiative hin behandelt worden, aber sie hatte noch kein
starkes öffentliches Interesse gefunden und wurde auf Eis gelegt-
Als der Umschwung im Jahre 1884 kam, geschah es unter starkem
Einfluss der gleichzeitigen politischen Ereignissen in Norwegen. Die
Sanktionsverweigerungen, die zu dieser Zeit einen Höhepunkt er-
reichten und in den folgenden Jahren immer neue Nahrung fur die
Forderung nach einer Verfassungsreform lieferten, geben nicht die
volle Erklárung des plötzlichen Umschlags. Sie bereiteten den Se'
eigneten Boden fur die starken Impulse vor, die gerade im Jahre
1884 von aussen her kamen. Vermittler dieser Impulse waren vor allen
anderen der Zeitungsmann, Politiker und Dichter Jón Ólafsson und
der Bauernpolitiker Jón Sigurðsson frá Gautlöndum. Besonders
diese beiden Mánner machten 1884—85 die Verfassungsrevision zum
Volksverlangen. Jón Ólafsson fuhrte seit Anfang des Jahres 1884
eine unaufhörliche Agitation in dem “Þjóðólfur”. Er versuchte siek
auch ausserhalb des Althings an einer Parteibildung, die aber ihre
Geburt nicht uberlebte. Die Partei Jón Sigurðssons frá GautlönduU1
J) Das Budget wurde nach der islándischen (wie nach der dán
ischen Verfassung) in Form eines Gesetzes behandelt.