Saga - 1961, Blaðsíða 98
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UPPHAF KRÖFU UM ÞINGRÆÐI
in Kopenhagen und mit Ministerverantwortlichkeit, die nur im Prin-
zip festgelegt war.
Die Adressen und Petitionen, die das ratgebende Althing und die
Þingvalla-Versammlungen in der Zeit nach der Volksversammlung
in der Verfassungsfrage aussandten, sind in allgemeinen und vagen
Wendungen gehalten, wenn sie das Verhaltnis zwischen den Staats-
gewalten iiberhaupt mit anderen als der durchgehenden Wendung,
dass das islandische Ministerium gegeniiber dem Althing verant-
wortlich sein sollte, beriihren. Nur einmal — auf dem Althing 1859,
wo Jón Sigurðsson selbst Vorsitzender des Ausschusses war — wurde
das Problem im Ausschussantrag angedeutet, ohne dass es entweder
darin oder wahrend der darauffolgenden Debatte in die engere
Erörterung aufgenommen wurde. Jón Sigurðsson selbst nahm diese
Frage nicht wieder vor dem Jahre 1863 — in einem langen Aufsatz
in “Ný félagsrit” — auf. Hier vertritt er kráftig seine maximale
Forderung nach Personalunion mit Vizekönig und parlamentarischer
Regierung, aber deutet auch an, dass er sich ein Regierungssystem
auf Grundlage des Prinzips der Gewaltenteilung nicht nur denken
könne, sondern es unter gewissen Voraussetzungen vorziehen wurde.
Als das ratgebende Althing ab 1867 die Verfassungsfrage end-
lich zur Behandlung bekam, zeigte sich sofort, dass die Verantwort-
lichkeitsfrage ein entscheidender Punkt werden sollte. Die dánische
Regierung hielt die ganze Zeit an einer Ordnung fest, nach der der
Minister fiir Island mit einem der Mitglieder der dánischen Regier-
ung identisch wáre und folglich auch nur dem dánischen Reichstage
verantwortlich. Auf Island sollte die höchste Gewalt — “landstjór-
inn”, spáter “landshöfðinginn” — Vertreter dieses dánischen Mini-
sters und nur ihm gegenuber verantwortlich sein. Das Althing da-
gegen hielt an einer Ordnung der ausubenden Gewalt fest, die mit
der von dem Verfassungsausschuss der Volksversammlung von 1851
vorgeschlagenen ungefáhr identisch war.
Die Verantwortlichkeitsfrage wurde auf diese Weise mit der
Hauptfrage des Streites — der Selbstregierung Islands — unauf-
löslich verknupft. Nur dadurch, dass erreicht wiirde, dass die Re-
gierung dem Althing gegenuber verantwortlich sein sollte, könnte
Island eine Zentraladministration erhalten, deren höchste Leitung
in Reykjavik sásse. Die Frage der Ministerverantwortlichkeit er-
hielt also primáre Bedeutung fiir das Verháltnis zwischen Island und
Dánemark; der tatsáchliche Inhalt und die praktische Bedeutung
der Verantwortlichkeit fiir das Verháltnis zwischen Volksvertretung
und Regierung wurde eine sekundáre Frage, die in den Hintergrund
geschoben wurde. Es zeigte sich denn auch, dass es trotz der starken
Betonung der Ministerverantwortlichkeit bei der Behandlung der