Studia Islandica - 01.06.1989, Blaðsíða 37
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den schlechten Stil seines Werkes (vgl. „rudi stylo“; MHN, S.
68), aber dieser Topos ist doch wohl, wie oft bei mittelalterli-
chen und antiken Autoren,118 nur Affektiertheit. Theodori-
cus’ Stil ist zwar nicht schwulstig, im Gegensatz z. B. zur Hi-
storia Norvegiœ und Historia de profectione Danorum in Hie-
rosolymamf'9 aber auch nicht kunstlos, wie bereits gezeigt
worden ist.
Neben den obenerwáhnten Bescheidenheitswendungen
sollen nun weitere Topoi genannt werden. Theodoricus ver-
wendet in seinem Prolog die „brevitas" - Formel (vgl. „brevi-
ter annotare"; MHN, S. 3).120 Dies ist jedoch keine Aussage,
die nur einen rhetorischen Effekt erzielen will. Sie stimmt mit
den tatsáchlichen Verháltnissen uberein, wie schon fruher in
diesem Kapitel bemerkt wurde.
Autoren des Mittelalters geben oft vor, sie schrieben als er-
ste die Geschichte ihres Volkes (Topos!).121 Theodoricus áu-
Bert sich in folgender Weise: „/.../ quod quia hactenus non
contigit, me malui quam neminem.“122 Der Frage, ob dies ei-
ner wirklichen literarischen Situation entspricht, wird spáter
im Kapitel úber die islándischen Quellen des Verfassers nach-
gegangen.
Eine formelhafte Wendung ist auch die Mitteilung Theodo-
ricus’, „non visa sed audita“ (MHN, S. 4, 68) zu schreiben.
Dieser Topos ist z. B. sehr háufig in der Hagiographie und
wahrscheinlich auf Papst Gregor den GroBen zurúckzufúh-
ren.123 Jens S. Th. Hanssen meint: „/.../there is no reason for
assuming that Th. should have given any special thought to
the expression [non visa sed audita]. He simply fetched it
from some Life of Saint /,../“124 Hier wird die Beantwortung
der Frage, wie man bei Theodoricus den Ausdruck „non visa
sed audita“ interpretieren soll, auf das Kapitel úber seine
Quellen verschoben.
Zum SchluB sei noch auf einen Topos der Lobrede hinge-
wiesen, d.h. das ehrende Gedáchtnis an die Vorfahren und
deren Taten.125 Dabei muB es sich keineswegs um Floskeln
handeln. Im Prolog sagt Theodoricus u.a.:
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