Studia Islandica - 01.06.1989, Blaðsíða 42
40
im Gegensatz zu den Heiden - eher im Moralischen als Physi-
schen. Wie bei vielen anderen antiken und mittelalterlichen
Geschichtsschreibern147 ist es wohl die Absicht Theodoricus’,
niitzliche „exempla“ zu liefern, aus denen der Leser oder Zu-
hörer lernen kann. Auch des Verfassers Digressionen dienen
z. T. als „exempla“ und erinnern u. a. an die islándischen
„þættir“, die sehr oft diese Funktion iibernehmen. Die Be-
riihrung mit der Hagiographie láfit sich nicht leugnen,148wie
hier schon friiher mehrmals gezeigt worden ist. Im Kapitel
uber die Erzáhlhaltung Theodoricus’ und bezúglich seiner Zi-
tate aus Werken antiker und mittelalterlicher Autoren wurde
bereits auf die moralisierende Haltung hingewiesen. Dies war
eine ganz allgemeine Tendenz im Mittelalter,149wo die Histo-
riographie der Moral, dem Recht und der Theologie dienen
sollte:
Or, depuis 1130 environ, la cura animarum, le souci de précher étaient de-
venus un des soucis majeurs des clercs /.../ II arriva que les historiens, lors-
qu’ils étaient clercs, furent plus soucieux d’efficacité pastorale que de vérité.150
Siegfried Beyschlag verweist sowohl hinsichtlich der Schil-
derung von Óláfr helgi als auch Óláfr Tryggvason auf Charak-
teristika, die aus der geistlichen Spháre stammen. Das, was
der Kirche bedeutsam erscheint, sind Taufe, Mission, Ver-
treibung/Verfolgung des Unschuldigen und gottlose Erhe-
bung gegen den Mártyrer/gottseliger Tod.151 Man kann
schlieBlich sagen, Theodoricus’ Absicht sei nicht zuletzt die
gewesen, Missionsgeschichte zu schreiben,152 d.h. eine Dar-
stellung der Ausbreitung des Christentums im áuGersten Nor-
den zu geben.153
Von der kirchlich-religiösen Haltung des Verfassers zeu-
gen viele Textstellen. Die Einstellung, daB im Geschehen auf
Erden sich Gottes Wirken offenbare, ist Geschichtsdenken
des Mittelalters.154 So meint Theodoricus denn auch, Óláfr
Tryggvason habe die Hilfe Gottes erlangt:
Compulsus igitur hac necessitate divinum invocare auxilium, vovit se chri-
stianum fore, si de instanti eriperetur periculo. Liberatus ergo divinitus recep-
tisque navibus abiit in Hyberniam/... / 155
1