Studia Islandica - 01.06.1989, Page 40
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auch hier gibt es einiges zu bedenken. Man könnte „Ecclesia-
stica historia“ als „variatio“ erkláren, da ja fiir das Mittelalter
im Grunde „alle Geschichte Kirchengeschichte“ war.138 Es ist
deshalb nicht verwunderlich, dafí auch andere Historiogra-
phen „historia ecclesiastica“ geschrieben haben. Der Titel ei-
nes Werkes gibt keine genauere Auskunft iiber den Inhalt.
Beda Venerabilis (Historia ecclesiastica gentis Anglorum),
Flodoard von Reims (Historía Remensis ecclesiae), Adam von
Bremen (Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum) und
Hugo von Fleury (Historia ecclesiastica oder Chronicon) z. B.
haben nicht nur Kirchengeschichte geschildert. Uber Orderi-
cus Vitalis (1075-1143?) sagt Johannes Spörl folgendes:
Die Themastellung der Historia ecclesiastica des Ordericus lieöe eigentlich
eine Kirchengeschichte erwarten, keine Staatengeschichte. Trotzdem ist die
Blickrichtung des Geschichtswerks im höchsten Sinn staatlich, politisch. Es ist
Ordericus geradezu eigentumlich, daB er Normannengeschichte und Kirchen-
geschichte zu einer unlösbaren Einheit verbindet. Auch hierin ist er das
Sprachrohrdergesamten anglo-normannischen Geschichtsauffassung, furdie
/.../ die Entwicklung der Kirche mit dem Wachsen der Normannen identisch
ist.139
Die synchrone und vergleichende Methode zeigen also,
da8 Theodoricus seiner Chronik sehr wohl die beiden obener-
wáhnten Titel gegeben haben kann, und das nicht zu Un-
recht, denn auch er verschmilzt norwegische Königsgeschich-
te und Kirchengeschichte, wie sich noch herausstellen wird.
Schon in den Kapiteln tiber Stoff und Stil von Theodoricus’
Historia wurde auf die Intention des Verfassers hingewiesen.
Geschichtswerke lassen nicht selten eine politische Absicht
oderTendenzerkennen. A. O. Johnsenmacht mit Rechtdar-
auf aufmerksam, Theodoricus’ Königschronik sei nicht zu-
letzt auch eine Propagandaschrift fiir die norwegische Kir-
che.140 Anla8 und Zweck des Werkes können sich hier, wie es
oft geschieht, decken. Jens S. Th. Hanssen z. B. vermutet,
Erzbischof Eysteinn habe die Arbeit bei Theodoricus be-
stellt, um seine eigene Stellung zu rechtfertigen.141
Auffallend ist die ausfuhrliche Schilderung des Verfassers