Studia Islandica - 01.06.1989, Page 107
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die Rede war. „Visa“ ist der Autor selbst als Augenzeuge ge-
genuber „audita“, welches andere Quellen sind, ganz gleich
ob mundliche oder schriftliche.311 Aus obigem kann man also
nicht folgern, da8 Theodoricus’ Text widersprúchlich sei, und
da8 er Sæmunds und Aris Arbeiten nicht benutzt haben kön-
ne.
In Abschnitt (B) beruft Theodoricus sich bei Haraldr hár-
fagris erstem Regierungsjahr auf die Islánder, sagt aber, daB
er fúr diese Jahreszahl keinen schriftlichen Beleg habe („auc-
toritas scriptorum“). Nahe liegt, daraus zu schlieBen, da8
Theodoricus sich hier nur auf múndliche Uberlieferung ge-
stútzt habe. Bj arni Guðnason j edoch betont das Wort „aucto-
ritas“ und meint: „Ekki þarf að fara í grafgötur um, að Sæ-
mundur og Ari hafa ekki verið Theodoricusi auctoritates, þótt
hann notaði bækur þeirra, enda mega þeir allir heita 12. aldar
menn.“312 Dieser Ansicht könnte man zustimmen undz.B. an
den obenerwáhnten Hieronymus erinnern. Ihn zitiert Theo-
doricus gerade deshalb, weil er „auctoritas“ ist, d.h. wesent-
lich álter als Sæmundr und Ari.313 Hier káme aber auch noch
eine andere Möglichkeit in Betracht. Es ist nicht auszuschlie-
Ben, daB Theodoricus die Jahreszahl selbst nach Angaben er-
rechnete, die er in islándischen Schriften finden konnte (vgl.
,,investigatum“), d.h. daB er sich auf eine relative Chronolo-
gie stútzte und deshalb die Zahl selbst nicht geschrieben vor-
fand. Dies wird jedoch náher gegen Ende des Kapitels erör-
tert.
Nun sei eine weitere umstrittene Textstelle besprochen,
námlich Theodoricus’ Andeutung in Vor-314 und Nachwort
(vgl. Passus G), daB er als erster eine norwegische Königsge-
schichte schreibe. Seine Ausdrucksweise ist indes nicht ein-
deutig. Aus dem Prolog geht dies nur indirekt hervor, und die
Worte des Epilogs (vgl. „hactenus non contigit“) kann man
auf verschiedene Weise deuten. Theodoricus’ Aussage muB
im Kontext,315 in dem sie erscheint, betrachtet werden. Er
kann gemeint haben, daB keiner vor ihm eine norwegische
Königschronik geschrieben habe, so wie eres tue.316 Er weist