Studia Islandica - 01.06.1989, Page 182
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er auch islándische Schriftquellen verwendet haben kann.
Zudem wurde die Bedeutung einer wenig berucksichtigten
und nach der Edition Storms (1880) gefundenen Handschrift
(Ms. lat. fol. 356) hervorgehoben. Eine chronologische An-
gabe dieses Dokuments und andere Beweisgrunde bestárken
die Ansicht, Theodoricus könne Sæmunds und Aris Búcher
benutzt haben. AuBerdem steht dem nichts im Wege, da6
sich unter seinen Quellen auch die Álteste Óláfs saga hins
helga und Oddr Snorrasons Óláfs saga Tryggvasonar befun-
den haben. Schwierig ist es allerdings, u.a. wegen der Metho-
den und Arbeitsweise eines mittelalterlichen Autors, mit völ-
liger GewiBheit zu sagen, so sei es gewesen und nicht anders.
Immerhin geht aus dem Búchlein des norwegischen Ge-
schichtsschreibers hervor, daB die Islánder hochgeschátzte
Gewáhrsleute waren wegen ihrer Erzáhlungen und insbeson-
dere Lieder. Enge stoffliche Verwandtschaft zwischen
schriftlich úberlieferten Skaldengedichten und der norwegi-
schen Chronik zeigt, daB islándische „kvæði“, anerkannt als
historische Quellen, gánzlich im Lateinischen aufgehen. Da-
mit werden sowohl die Bedeutung islándischer Skaldenlieder
fúr die Entstehung und Genese der „Konungasögur“ klar wie
auch die kulturellen Wechselbeziehungen zwischen den Völ-
kern. Theodoricus scheint innerhalb der norrönen Ge-
schichtsschreibung keine isolierte Stellung einzunehmen,
d.h. die norwegische Historiographie ist offenbar abhángig
von der islándischen.
Das obige Ergebnis erforderte, die vielumstrittene Frage
nach dem Verháltnis zwischen den drei áltesten Synoptiken
der norwegischen Königsgeschichte, Theodoricus’ Chronik,
Ágrip und Historia Norvegiœ, von neuem zu erörtern. Die
meisten Forscher glauben an eine gegenseitige Unabhángig-
keit von Theodoricus’ Werk und Historia Norvegiæ, direkte
schriftliche Abhángigkeit des Ágrips von Theodoricus und in-
direkte literarische Beziehungen zwischen Historia Norvegiæ
und Ágrip. Eines der zur Bestimmung dieses Verháltnisses
vorgebrachten Hauptargumente ist, da6 Theodoricus keine