Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Blaðsíða 221
SCHWANZ
191
85. Das wortgeographische Bild wird in Norwegen vor allem durch
den Typus spæl m. bereichert. Dieser bezeichnet, wenigstens im Rahmen
der Såugetiere, stets nur einen kurzen Schwanz. Das Wort wird meist
spæli2, spél gesprochen, im innern Sogn (mit Hord. 36, aber ohne
Sogn o.F. 12) spedl, im nordwestlichsten Hord. (Masfjorden lt. NO)
spærli3, in N-Tr. 7,9,10 sper(r)il (ebenso lt. Aasen spærel in Lista,
lt. Ross speeril »schmale und diinne kleine Figur« auch in S-Tr. Selbu);
dazu kommt die schwache Erweiterungspæle, spéle V-Agd. 3; Rog. 16b;
Hord. 32b, spelle Hord. 4. Das Wort ist im Anord. nicht belegt, kommt
jedoch auch nisl. und far. als sperdill bzw. sperdil »Mastdarm des Schafes;
eine daraus verfertigte Wurst« (Blondal; JM) vor, und diese Form
ist auch den norw. Varianten zugrundezulegen, die sich alle — mit
Ausnahme von sper(r)il — daraus bzw. aus dem PI. sper{d)lar (oder
Dat.Sg. sper{å)li) auf ’lautgesetzlichem’ Weg entwickelt haben konnen44.
Damit stellt sich das Wort mit Abl. zu anord. sporår »Schwanz einer
Schlange, eines Fisches uå.«45 und weiter zu idg. *sp{h)erd{h)- usw.
»zucken, springen«46. Da wir somit von der Grundbedeutung »etwas
Zuckendes, sich schnell Bewegendes, Zappelndes, Wedelndes« auszu-
gehen haben, muss das Wort seit alters auf den kurzen Schwanz spe-
zialisiert gewesen sein. Heute bezeichnet es vor allem den fiir die alte
norwegische Schafrasse (’spælsau’)47 charakteristischen Schwanz, ferner
den Schwanz von Ziegen, auch Schweinen, gelegentlich auch von Hunden,
ausserhalb der Haustiere auch von Hasen, Rentieren, Elchen sowie
von Schlangen und Eidechsen (Aasen, Ross, NO). Es kommt, wenig-
stens im Rahmen der Haustiere, fast in ganz Norwegen vor; nur im
Silden, siidlich einer Linie Vinger - Rom. - Ring. - mittl. Num. - Nord-
grenze von Tel. - S-Hord. fehit es fast vollig. Dass es hier meist nur
in Bedeutungen wie »Schwanz von Schlangen oder Eidechsen; kleine,
diinne Figur« erhalten oder ganz verschwunden ist, ist hochstens teilweise
sachlich, im Riickgang der alten norwegischen Schafrasse seit ca. 1860,
42. spæl ist auch die neunorw. Normalform.
43. Ross 749 fiihrt diese Form in der Bed. »Schlangenschwanz; schmale und diinne
und kleine Figur« auch aus Rbg. und Lista an.
44. sper(r)il statt *spælil geht wohl von einer vom PI. sper(8)lar aus neugebildeten
Form *sperill aus. Angesichts der isl.-får. Form empfiehlt es sich jedenfalls kaum,
mit Torp 701 *sperill als Grundform anzusetzen.
45. Fritzner III 497.
46. Vgl. zur Etymologie Johannesson, Et.Wb. 900; Pokorny I 995 f.
47. Vgl. zu dieser Rasse Høie-Tilrem S. 428.