Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Síða 31
DIE ENTWICKLUNG DER FINNISCHEN FRAU 25
Tausende starben auf der Landstrasse als Fluchtlinge den Hunger-
tod oder wurden als Gefangene nach Russland gefiihrt. —
Die Vaterlandsliebe war in jenen schweren Jahrhunderten fiir
die finnische Frau zu etwas Selbsterlebtem geworden. Von all dem
Schmerz und all der Freude, die dieser Begriff in sich vereinigt,
war es ihr Los, besonders den Schmerz kennen zu lernen.
Das 18. Jahrhundert bezeichnet in der Entwicklung der fin-
nischen Frau eine ganz neue Phase. Bis dahin war ihr Leben im
Hause verflossen, meist in landlicher Umgebung. Hier hatte sie
eine umfassende Wirtschaft zu besorgen: das Haus und das Vieh.
Ausserdem nahm sie an den verschiedenen Feldarbeiten teil, am
Pfliigen, Saen und Ernten. Jetzt aber tritt sie als Gesellschaftsmit-
glied ausserhalb des eigenen Heims auf. Wenn wir ihre spatere
Entwicklung in dieser Beziehung verstehen wollen, miissen wir
uns einige der historischen Ereignisse und wirtschaftlichen Um-
walzungen aus dem Anfang des Jahrhunderts in Erinnerung rufen,
die diese Veranderung in der Stellung der Frau herbeifiihrten und
das friihere einheitliche Bild veranderten.
In erster Linie muss dabei der Bevölkerungszuwachs in Be-
tracht gezogen werden. Wahrend die Bevölkerungsziffer im Jahre
1750 nur etwas iiber 400,000 betrug, war sie im Jahre 1860 auf
etwa 1.7 Millionen gestiegen (1930 3.6 Millionen). Es entstand
auf dem Lande eine Ubervölkerung, der man unter den damaligen
landwirtschaftlichen Verhaltnissen kein geniigendes Auskommen
zu sichern vermochte, ein landliches Proletariat, dem das Leben
schwer wurde. Nach statistischen Angaben vom Jahre 1901 besas-
sen in den Landgemeinden Finnlands nur 23 % der Familien einen
eigenen landwirtschaftlichen Betrieb; 34 % waren Páchter, wáh-
rend ganze 43 % gar keine Bodenrechte besassen.
Auf wirtschaftlichem Gebiete bezeichnen die 1860- und
187oer Jahre eine wahre Umwálzung in Finnland. Tausende und
aber Tausende der Bewohner der Landgemeinden fingen an, sich
neue Existenzformen zu suchen. Einige wurden Flösser, andere
Fabrikarbeiter, wáhrend wieder andere in verschiedenen neuent-
standenen Gewerben der Stádte sich durchzuschlagen versuchten.
Dies war um so naturlicher, als damals in den i86oer Jahren
die finnische Industrie entstand. Der Verkehr streckte seine Arme
nach neuen Richtungen hin aus, und die Holzmárkte belebten