Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Blaðsíða 155
KARELIEN IN DER LITERATUR FINNLANDS 149
Landenge. Schon vor Lönnrot hat Sakari Topelius d. A., der
Vater des bekannten Dichters, in den 2oer Jahren des letzten
Jahrhunderts Volksgesánge der Russisch-Karelier aufgeschrieben,
die mit dem Rucksack auf dem Riicken nach Finnland kamen,
um ihre Waren zu verkaufen. Auch der finnische Nationaldichter
Runeberg hatte diese Mánner von Archangelsk gesehen, und er
gab schon ein fliichtiges Bild von Russisch-Karelien in seiner
Dichtung »Hirvenhiihtáját. (Elenjáger 1832). Topelius als erster
ahnte, dass die Gesánge des finnischen Volkes Jahrhunderte hin-
durch vom 'Westen nach dem fernen Osten gewandert waren, wo
sie nun am reichlichsten zu finden waren. Auch Lönnrot war von
Anfang an von dem brennenden Wunsche beseelt, dorthin gelan-
gen zu können. Seine Sehnsucht nach der weitgestreckten nordöst-
lichen Landschaft war so stark, dass er seine ausgedehnteste Ent-
deckungsfahrt im Januar 1837 bis auf die Kola-Halbinsel er-
streckte, von wo er iiber Petsamo und Inari zuriickkehrte. In
Lappland waren jedoch keine Gesánge zu finden. Es lohnt sich,
in diesem Zusammenhange darauf hinzuweisen, dass die lapplán-
dische Romantik in der auslándischen Literatur viel álter ist als
die karelische und dass sie leider sehr oft die zur arktischen Rasse
gehörenden Lappen mit den Finnen verwechselt hat.
Lönnrot wandte sich auf seinen letzten Fahrten nach dem
eigentlichen Ladoga-Karelien und in die Gegenden nördlich vom
Ladogasee. Nach ihm konzentrierte sich die Sammlung der Ge-
sánge bewusst auf den Siiden, námlich auf Ingermanland und auf
die Karelische Landenge. Dort fand man eine von den Frauen
gesungene zarte Alltagslyrik, und diese wurde erst spáter bekannt
als die erhabene sagenhafte Heldendichtung der machtvollen alten
Weisen Russisch-Kareliens.
In der neueren Geschichte des Karelien-Zaubers, in dem »Ka-
relianismus«, wie ihn Professor Yrjö Hirn genannt hat, stand Rus-
sisch-Karelien weiterhin an erster Stelle. Im Jahre 1892, im selben
Sommer wie Sibelius, war der grosse vaterlándische Dichter
Juhani Aho dort. Besonders die lyrischen Stimmungen blieben
fest in seiner Seele haften: man hört das Rauschen der endlosen
Ödemark in seinem historischen Roman »Panu« 1897. Ein
anderer Roman Ahos, der sich in Grenzkarelien abspielt, ist
»Juha« 1911; dieser ist kunstlerisch hervorragend durchgefúhrt,
aber, was seine karelischen Gestalten anbetrifft, ist er weithin
sehr romantisch. Zur selben Zeit erschien jedoch schon eine wert-
volle Reiseschilderung, in der Russisch-Karelien auch in seinem