Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Blaðsíða 291
ISLANDISCHE LITERATURGESELLSCHAFT 285
alles sammelte, was damals noch an alten Handschriften in Island
zu finden war. Man hat ihm zwar zum Vorwurf gemacht, dass
er die Handschriften nach dem Auslande, nach Kopenhagen,
mit sich fiihrte, aber die Zahl der erhaltenen Handschriften, die
uber ganz Island im Privatbesitz verstreut waren, schrumpfte von
Jahr zu Jahr zusammen, und Árni Magnússon verdient fúr seine
Grosstat, die Einsammlung der unersetzlichen Handschriften, den
Dank aller Islánder. Von nun an konnten die Handschriften wis-
senschaftlich behandelt und untersucht und zur Grundlage einer
Literatur werden, die noch jetzt im ganzen Norden in Blúte
steht. —
Gegen die Entartung, der die Sprache im 18. Jahrhundert
ausgesetzt war, erhoben sich die islándischen Studenten, um die
schöne, norröne Hauptsprache zu bewahren, welche der Norden
seit undenklichen Zeiten gesprochen hatte. Zu diesem Zwecke
wurde die islándische »Laerdómslistafjelag« (gelehrte Gesell-
schaft) gegrúndet, deren treibende Kraft der berúhmte Jón
Eiríksson war. Mit seinem Tode verlor die Gesellschaft ihren
Lebensnerv, die Unterstútzung der dánischen Regierung, weshalb
Magnús Stephensen sich an die Spitze einer Bewegung zur Grún-
dung einer neuen Gesellschaft stellte, der islándischen »Landsupp-
fraedingarfjelag«, die ihren Sitz in Island hatte. Die letztgenannte
Gesellschaft blúhte eine Zeitlang, solange Bischof Hannes Finnsson
und sein Schwiegervater, der Stiftamtmann Ólafur Stephensen,
lebten; spáter aber konnte Magnus Stephensen, der Hauptgrún-
der der Gesellschaft, sie nicht mehr am Leben erhalten. In den
Jahren 1812 bis 1816 lag die Arbeit ganz danieder, und die
beiden Druckereien des Landes, welche die Gesellschaft úbernom-
men hatte, waren fast arbeitslos.
Unter diesen Umstánden waren die Aussichten fúr die islán-
dische Literatur nicht sehr gúnstig, und die Islánder in Kopen-
hagen sahen die Lage fúr so ernst an, dass sie in einem Schrei-
ben der Verwaltung der Arnamagnaeanischen Sammlung an den
König aus dem Jahre 1811 áusserten, dass die Kenntnis des Is-
lándischen stándig zurúckgehe, und dass die islándische Sprache
allmáhlich aussterben wúrde wie das Angelsáchsische im Alter-
tum. In Island lagen die Verháltnisse jedoch anders; hier lebte
immer noch die reine Sprache des Volkes, wohingegen die Schrift-
sprache allerdings zu wúnschen úbrig liess, besonders hinsichtlich
der vielen Úbersetzungen aus fremden Sprachen, deren Uber-
setzer das Islándische nicht beherrschten.
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