Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Page 177
DIE ESTLANDSSCHWEDEN
17i
in das provinzielle Leben der kleinen Minoritáten hinein, und
die schwedische Nationalitát wurde daher niemals ernsthaft von
einer Russifizierung bedroht. Die Privilegienbriefe der schwedi-
schen Könige wurden sogar von dem máchtigen Ostseekomitee
von 1850 respektiert.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde eines der grössten
Gebiete Schwedisch-Estlands, námlich Dagö, von einer Katastro-
phe heimgesucht. Die obenerwáhnte Bestimmung in König Karls
XI. Privilegienbrief war in ein 1780 zwischen dem Eigentiimer
des Gutes Hohenholm auf Dagö und den schwedischen Bauern
in dem grossen Dorfe Röicks geschlossenes Abkommen aufgenom-
men worden. Im Jahre darauf wurde den Bauern gekíindigt, so
dass sie ihre uralten Wohnstátten verlassen mussten. Nicht weni-
ger als 1200 Personen wurden gezwungen, gemáss einer Weisung
der russischen Majestát nach dem Gouvernement Cherson am
Schwarzen Meer abzuwandern, wo die schwedische Kolonie Gam-
malsvenskby gegriindet wurde. Das Schwedentum auf Dagö hatte
damit seinen Todesstoss erhalten — die Geschichte der Gammal-
svenskby Siedler begann.
Dort unter lebte eine schwedische Kolonie von etwa tausend
Personen noch bis zum Jahre 1929, als die Bevölkerung auf
eigenen Wunsch nach Schweden zuriickkehrte, von wo ihre
Vorfahren vor sieben Jahrhunderten ausgewandert waren. Eine
geringere Zahl begab sich spáter nach den schwedischen Sied-
lungen in Kanada. Die Ansiedlung der Bewohner von Gammal-
svenskby im alten Mutterlande ist gut eingeschlagen.*) Alle, die
den Wunsch danach hatten, sind Landwirte auf eigenem Hof
geworden, und auf Gotland wurde ein zusammenhángendes Sied-
lungsgebiet geschaffen.
Der auf Dagö zuriickgebliebene Stamm wurde zu Beginn des
19. Jahrhunderts abermals kráftig vermindert, als auch die Bauern
in dem Dorfe Kárdla ihre Höfe iibergeben mussten. Nur die
Bauern des Pfarrhofes im Dorfe Röicks wohnten noch immer hier
— noch vor wenigen Jahren lebten dort etwa zehn ihrer Nach-
kommen mit schwedischer Muttersprache.
Wáhrend des Weltkrieges 1914—18 wurde auch die schwedi-
*) Siehe hierviber »Svenskbyborna« (»Die Siedler von Svenskby«), ein
Bericht, zusammengestellt von Gösta Malm, Vorsitzendem des Komitees
fiir Siedler von Gammalsvenskby und des Arbeitsausschusses der Gammal-
svenskby-Stiftung (130 Seiten), Stockholm, 1939, sowie Bernhard Berg-
ström, Die Siedler von Gammalsvenskby in Le Nord, 1939, S. 340—350.