Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Blaðsíða 267
NORD. HANDSCHRIFTENREPRODUKTION 261
liche Kostbarkeiten geschátzt und selten oder nie einem Forscher
zur Verfíigung gestellt. Ein deutsches Bibliothekshandbuch aus
dem Jahre 1711, »Die neu-eröffnete Bibliothec, worinnen guter
Unterricht von Bibliothequen an die Hand gegeben wird« (Ham-
burg 1711), widmet unter dem Titel »Von der grossen Miihe
Manuscripta ans Licht zu bringen« der Schilderung der vielen
Beschwerlichkeiten, die das Studium der Handschriften mit sich
bringt, ein besonderes Kapitel. Vielfach, so klagt der Verfasser,
geschieht es, dass man aus reiner Ungefálligkeit das Vorhanden-
sein seiner Handschriftensammlungen leugnet, in anderen Fállen
zeigt man sie nur gegen Erlegung hoher Gebiihren; es kann auch
vorkommen, dass die Bibliotheken der Obhut so misstrauischer
und unwissender Personen anvertraut sind, dass diese Wert und
Beschaffenheit ihrer eigenen Sammlungen nicht kennen und aus
diesem Grunde weder imstande sind, die Fragen fremder Forscher
zu beantworten noch ihnen die Handschriften auszuhándigen,
die sie zu untersuchen wiinschen. Aus diesen Miszstánden zieht
der Verfasser folgenden Schluss: »Billig sollten hohe Regenten,
ansehnliche Republiquen und reiche Stádte sich besser angreifen
und wenn man in Erfahrung káme, dass irgendwo ein gut Buch,
damit der gelehrten Welt gedienet sein könnte, vorhanden, das-
selbe unverziiglich durch geschickte Leute conferiren und aus-
gehen lassen.«
Die Sprache dieses alten deutschen Verfassers mag uns so
steif und kanzleimássig anmuten, dass man fast lácheln möchte,
in Wirklichkeit spricht aber aus seinen Worten etwas von der-
selben Begeisterung fiir die allgemeine wissenschaftliche Zusam-
menarbeit wie aus den gross angelegten Plánen eines Leibniz.
Und dieser Geist weht uns oft in der gelehrten Literatur und in
den Briefwechseln jener Zeit entgegen. In typischer Weise tritt
er bei einem Manne zutage, der zu den Grossen der schwedischen
Bibliotheksgeschichte gehört, dem Bischof Eric Benzelius von Lin-
köping, der sich sein ganzes langes und arbeitsreiches Leben hin-
durch mit Forschungsaufgaben auf diesbeziiglichem Gebiete be-
scháftigte. Vor allem wandte er seine Aufmerksamkeit der be-
riihmtesten Handschrift zu, die auf schwedischem Boden auf-
bewahrt wird, dem Codex Argenteus, der gotischen Evangelien-
iibersetzung des Ulfila (damals wie heute der kostbarste Schatz
der Universitátsbibliothek zu Uppsala). Diese Handschrift der
gelehrten Welt zugánglich zu machen, war sein höchster Wunsch,
und er wandte eine ungeheure Arbeit daran, eine möglichst kor-