Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Blaðsíða 157

KARELIEN IN DER LITERATUR FINNLANDS 151
Die neurealistische Strömung, die im zweiten Jahrzehnt dieses
Jahrhunderts ihren Anfanggenommen hat, fiihrte den literarischen
Schwerpunkt Kareliens immer weiter nach Siiden. Die reiche
Erzáhlerkunst Viljo Kojos spiegelt in der ihr eigenen kultivierten
Weise das Volksleben seiner Heimat, Ladoga-Kareliens, wider.
Die landschaftlichen Symbole seiner Kunst liegen also mehr im
Innern als im Aussern: sie kommen besonders veredelt in seiner
ausserordentlichen Fabulierungskunst zum Ausdruck. Von dem
uralten finnischen Kulturgebiet Ladoga-Kareliens, das im Mo-
skauer Frieden einer der schwersten Verluste fiir Finnland war,
fiihrt der Weg zur Karelischen Landenge, die mit der Zeit der
Selbstándigkeit zu einem glanzvollen, farbenreichen literarischen
Schauplatz wurde. Hier fand Kersti Bergroth eine Lebensform,
die fern vom Lárm der Zeit schön volkstiimlich geblieben war.
Diese Lebensform hat sie mit liebevoller Hingabe in ihrem Werk
»Anu ja Mikko« (Anu und Mikko) zum Ausdruck gebracht, das
in Form eines Schauspiels im Dialekt verfasst ist und eine kareli-
sche Idylle darstellt. Schliesslich erlebte hier noch der Vertreter
der jiingeren Generation, Unto Seppánen, die grosse Epoche und
Bliitezeit der Karelischen Landenge, nachdem der flott lebende
russische Adel zu Beginn der Selbstándigkeit Finnlands den fin-
nischen Bauern weichen musste. Seine Erlebnisse hat er in zahl-
reichen friihen Romanen und besonders in der Romantrilogie
»Markku ja hánen sukunsa« (Markku und sein Geschlecht) vollen-
det geschildert, die den grossen Beifall des deutschen Publikums
gefunden hat.
Die Karelische Landenge mit dem ihr eigenen Zauber zog auch
die schwedischsprachigen Schriftsteller Finnlands an. Den vor-
nehmen Dichter der álteren Generation Emil Zilliacus hat neben
der antiken Kunst auch seine Heimat in der Náhe der Stadt
Viipuri entziickt. Die friih entschlafene geniale Lyrikerin Edith
Södergran fand die intimsten Tönungen ihrer Motive in der kare-
lischen Landschaft. Besonders die seltenen orthodoxen Reste der
Karelischen Landenge bezauberten in den letzten Jahren die
schwedischsprachigen Dichter Finnlands. Das Motiv in dem schö-
nen Roman »Trásnidaren och döden« (Der Holzschnitzer und
der Tod) von Hagar Olsson ist die Heimkehr der Seele an den
»Heiligen See« Ladoga. Olof Enckell erreichte einen kiinstleri-
schen Erfolg mit seinem Roman »Várt hjárta« (Unser Herz).
Er hat auch in eindrucksvoller Weise seine Erlebnisse auf den
Reisen in der Grenzmark in seinen Werken »Vakt i öster« (Wacht