Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Side 266
DER BEITRAG DES NORDENS AUF DEM
GEBIETE DER HANDSCHRIFTEN-
REPRODUKTION
Von Dr. Oscar Wieselgren,
Königlich Schwedischem Reichsbibliothekar, Stockholm.
Il LS in der zweiten Hálfte des 17. Jahrhunderts die wissen-
f\ schaftlichen Studien in den verschiedenen europáischen
1 \ Lándern Aufschwung zu nehmen begannen, wurde es
bald offenbar, wie bedeutungsvoll eine internationale Zusam-
menarbeit vor allem zwischen den Bibliotheken und Universitá-
ten sein wiirde. Allgemein bekannt ist der Geist des monumen-
talen Internationalismus, von dem das grossartige Lebenswerk
eines Leibniz auf dem Gebiete der Forschung durchzogen und
getragen ist. Aber auch in vielen weniger leuchtenden Persön-
lichkeiten lebte dieser Geist des Willens zur Zusammenarbeit,
verstárkt durch die Erinnerungen, welche die meisten Gelehrten
von ihren in der Jugend ins Ausland unternommenen Studien-
reisen bewahrten. Die Einheitlichkeit des Bildungstypus in der
europáischen Gesellschaft der Barockzeit bewirkte ebenfalls, dass
ein Forscher, aus welchem Lande er immer kommen mochte, sich
relativ leicht auch in einer fremden Umgebung zurechtfinden
konnte. Die lateinische Sprache war noch immer die allgemein
anerkannte Sprache der gelehrten Welt, und irgendwelche we-
sentliche Schwierigkeit, in persönlichen Kontakt zu kommen, war
also fiir die reisenden Forscher jener Zeit nicht vorhanden.
Ein erheblicher Ubelstand, mit dem die gelehrte Arbeit in álte-
ren Zeiten stets zu kámpfen hatte, lag jedoch in der Schwierig-
keit, zu dem Forschungsmaterial der Bibliotheken Zutritt zu er-
halten. Wenn man die Bibliotheksliteratur des 17. und 18. Jahr-
hunderts studiert, findet man eine Menge Angaben, die erkennen
lassen, dass es oftmals so gut wie unmöglich sein konnte, die Iso-
lierung zu durchbrechen, in der die grossen Biichersammlungen
damals gehalten wurden. Die Bibliotheken wurden lange Zeit als
eine Art von Kuriositátenkabinette betrachtet, die zur Interes-
senspháre des Hofes und der Fíirsten gehörten und infolgedessen
allen Aussenstehenden verschlossen waren. Seitens der Bibliothe-
kare hatten die Forscher in der Regel ebenfalls nicht viel Sym-
pathie zu gewártigen. Vor allem umgab man die alten Manu-
skripte mit eifersiichtiger Sorge; sie wurden als aussergewöhn-