Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Side 218
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LE NORD
mer mehr dem Studium des Englischen, und hierzu erhielt er noch
einen besonderen Anlass, als sich die Möglichkeit ergab, dass er
als Nachfolger des alten Stephens Lehrer des Englischen an der
Universitat werden konnte. 1891 promovierte er mit einer Ab-
handlung Studier over engelske kasus {Studien iiber englische
Kasus), und 1893 wurde er zum Professor ernannt, eine Stellung,
die er bis zum Jahre 1925 bekleidete, als er seinen Abschied nahm,
fiinf Jahre friiher, als er dazu verpflichtet war.
1897 verheiratete er sich mit Ane Marie Djörup, und wenn
wir dann noch hinzufiigen, dass er eine Menge kiirzerer und lán-
gerer Studien- und Vortragsreisen nach dem Auslande (1904 und
1909 nach Amerika) unternommen hat, und dass die Bibliographie
seiner Werke in der Festschrift von 1930 382 Werke umfasst
und jetzt noch um etliche gewichtige Arbeiten vermehrt werden
kann, so haben wir wohl die wichtigsten áusseren Daten ange-
fiihrt.
Der grosse Forscher (und Kiinstler) wird wohl immer von
einem festen Standpunkt aus arbeiten, der in seinem eigenen "We-
sen verankert ist und meist mit dem Besten — oft mit dem besten
Neuen — seiner Zeit in Verbindung steht. Dies gilt in höchstem
Grade auch von Otto Jespersen. — Seine erste bedeutende wissen-
schaftliche Arbeit wurde 1886 gedruckt, die Abhandlung Til
sporgsmaalet om lydlove, die kurz danach auch auf deutsch
erschien (Zur Lautgesetzfrage). Er greift hier die Hauptthesis der
damals fiihrenden junggrammatischen Schule an, den Satz von der
»Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze«, und es wird von Jespersen
hier sehr stark betont, dass man »lyd og tyd« (»Laut und Be-
deutung«) nicht voneinander trennen diirfe. Die Sprache hat eine
áussere, die lautliche und grammatische, Form und eine innere,
die Bedeutung im weiteren Sinne, und wenn man sich dies nicht
vor Augen hált, wird man in seinen wissenschaftlichen Ergebnis-
sen leicht zu Schiefheiten gelangen. Diese Auffassung der Sprache
ist das eine der beiden Grundprinzipien, die Jespersens sprach-
wissenschaftlicher und pádagogischer Arbeit zugrunde liegen. Das
andere ist seine Theorie vom Fortschritt der Sprache, die er in
der Einleitung zu seiner Dissertation ausfiihrlich behandelte. Im
Gegensatz zur romantischen Schule von Sprachforschern, welche
die Sprache als einen Organismus betrachteten und daher die
álteren Stadien der Sprache mit ihren lángeren Sprachformen und
ihrer viel stárker zusammengesetzten Formlehre (viele Kasusfor-
men, besondere Formen fiir die drei Personen bei den Zeitwörtern