Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Page 70
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LE NORD
geblieben. Darum betrachten viele Islánder ihn mit Stolz als den-
jenigen Maler, der sich am wenigsten vom Auslande hat beein-
flussen lassen — als den islándischten von ihnen allen.
Ebenfalls mit spielender Leichtigkeit hat Guömundur Thor-
steinsson seine humorvollen Zeichnungen geschaffen. Am beriihm-
testen sind seine bunten Illustrationen der islándischen Márchen-
und Sagenwelt. Auch von ihm schreibt sein Biograph, Poul Utten-
reitter: »Die Dinge, die wie im Spiele entstanden, gelangen ihm
am besten. Alles was Ausdauer und Zeit beanspruchte, war seinem
Wesen zuwider.« — Yielleicht fiihlte der junge Kiinstler auch,
dass ihm im Leben nicht viel Zeit beschieden war. Er starb an
Lungenschwindsucht mit 32 Jahren.
Ausserhalb Islands weniger bekannt als die vorher genannten
ist Ásgrímur Jónsson, obwohl dieser, jetzt siebzigjáhrige Kunstler,
der eigentliche Begriinder der islándischen Malerei ist. Vor ihm
haben zwar einige andere Islánder, z. B. Sigurður Guðmundsson
und Thórarinn Thorláksson, die Kopenhagener Akademie be-
sucht, aber da alle ihre Bilder — sie malten nur nebenberuflich —
ebensogut von dánischen Malern altmodischer Richtung gemalt
sein könnten, sind sie höchstens als Vorláufer der islándischen
Malerei zu erwáhnen. Ásgrímur Jónsson ist jedenfalls der erste
wirklich islándische Maler, und da er sehr kultivierte Bilder schuf,
hat er grosse Bedeutung fiir die allgemeine Geschmacksbildung in
Island gehabt.
Er ist der Sohn einer armen, kinderreichen Familie des Siid-
landes und fing schon in seiner friihesten Jugend an zu zeichnen,
obwohl er nicht die geringste Anregung oder Aufmunterung er-
hielt. Der brennende Wunsch, Maler zu werden, entstand in ihm,
und als Angestellter eines kleinen Kramladens verdiente er sich
miihselig das Reisegeld nach Kopenhagen, wo er sich ausbilden
wollte.
In Kopenhagen musste er jedoch jahrelang als Anstreicher in
einer Werkstatt arbeiten um leben zu können. Nur die Sonntage
konnte er seiner Kunst widmen. Erst ganz allmáhlich fand er
Förderung.
Eine Reise nach Deutschland und Italien bedeutete einen
Wendepunkt in seinem Leben. Er unternahm diese Reise, um die
Werke der alten Meister zu studieren, fand aber sein kiinstleri-
sches Schicksal auf einer Ausstellung französischer Impressionisten
in Berlin. Es war dies seine erste und entscheidende Begegnung
mit der modernen Kunst. Er beschreibt selbst den Eindruck, den