Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 73
VIEH IM ALLGEMEINEN
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den spezielleren Sinn von »grosseres Haustier, Vieh, bes. Rindvieh«
angenommen.
Im Norw. werden die beiden Bedeutungen gewohnlich auch lautlich-
f ormal auseinandergehalten: schriftsprachlich-literarischem kreatur n.
»Geschopf, Tier im allgem.« steht volkstumliches krøt(t)er, krettur usw.
n. »(Rind)vieh« (meist im PI.; vgl. S. 45) gegeniiber, doch ist auch
das letztere wenigstens in der Form krøt(t)er in der Schriftsprache
gebråuchlich. Wenn im FB hie und da die Form kreatur erscheint, so
ist sie im allgem. gewiss dem Bm. entnommen, doch fållt immerhin
auf, dass sie im Gebiet von Sfj. einigermassen gehåuft auftritt: zu den
vier Belegen des FB aus Sogn o.F. 5,13,14,16b kommt noch einer
aus Eikefjord in NO. Ausserdem ist sie hier (wie auch in einem ver-
einzelten Beleg aus Ro g. 7) gegeniiber krøter in dem Sinn semantisch
differenziert, dass sie als allgemeine Bezeichnung fur Yieh (wenigstens
als Sammelname fur Rindvieh, Schafe und Ziegen), krøter dagegen spez.
vom Rindvieh gebraucht wird. Der Gegensatz Mundart-Schriftsprache
scheint sich hier also wirklich zu einem intern mundartlichen Gegensatz
im Rahmen der Bezeichnungen fur »Vieh« entwickelt zu haben.
Es fragt sich, wieweit die awestn. iiberlieferte Form kreatyr wenigstens
teilweise den heutigen Mundartformen zugrunde liegen kann oder ob
wir ganz oder teilweise mit einer (schon anord. daneben bestehenden
oder aus erneuter Entlehnung hervorgegangenen) Grundform *kreatur
zu rechnen haben. Formen wie krøt(t)yr, kryt(t)yr usw. liessen sich
selbstverståndlich am leichtesten von kreatyr aus erklåren, zumal sich
ein Ubergang des Endungsvokals u>y im Rahmen der norw. Vokal-
ausgleichsgesetze sonst kaum nachweisen låsst55. Aber obwohl, wie
Karte 3 zeigt, die verschiedenen lautlichen Varianten in offensicht-
lichem geographischem Zusammenhang mit dem ostnorw.-trond. Vokal-
ausgleich stehen, handelt es sich bei diesem Wort mit urspriinglich
langer Wurzelsilbe und Endbetonung doch um einen Sondertypus, um
einen der mehr vereinzelten Falle von Vokalausgleich, die auch sonst
vorkommen, im allgemeinen aber wohl junger sind als die Normal-
falle56. Jedenfalls lassen sich die Formen auf -ur nur von der zweiten
55. Lt. personlicher Mitteilung von Dr. I. Hof f.
56. Vgl. Larsen, Solør S. 173.