Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Side 147
TRACHTIGKEIT
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geschlossen und nur in einigen Gegenden von Hord. und Sogn o.F.
stårker von verbalen Fiigungen konkurrenziert, tritt lamb- (lam(m)-,
lamme-)tmg in dem gleichen westnorw. Gebiet, das hier sogar noch
etwas weiter nach Osten und Norden reicht, auf, ist aber dafur in Nord-
norwegen und Østerd. weniger stark vertreten. In demselben Rah-
men halten sich die bedeutend spårlicheren Belege flir kid- (ki-, kje-),
kidling- (killing-)tung und gris(e)tung.
Tung »tråchtig« mit Zusammensetzungen findet sich wiederum auch
in Schweden42, wo bereits die åltere Sprache Belege fiir die Bed.
»schwanger« bietet43, und auch ODS XXIV 1023 fiihrt die Bed. tung
»(især dial.) spec. om kvinde (ell. hundyr): frugtsommelig, gravid, svær,
drægtig«, die freilich durch die gelåufigen Mundartworterbucher nicht
beståtigt wird, an. Wir werden demnach auch hier, diesmal auch inner-
halb der norw. Dialekte, stark mit Parallelentwicklung rechnen mussen.
Das getrennte Auftreten des Typus in West- und Nordnorwegen
und (wenigstens bei kalvtung) im Osten scheint dies nahezulegen, da
tvir ja nicht mit einer Uberschichtung von ålterem -tung durch jiingeres
-diger rechnen konnen. Es ist aber auch denkbar, dass -tung und -diger
in viel weiterem Umfang als heute, jedoch mit einem gewissen Bedeu-
tungsunterschied (-tung nach dem Gewicht, -diger nach der Gestalt)
nebeneinander bestanden und sich erst spåt råumlich ausschieden. Ge-
samthaft gesehen, liegt der Schwerpunkt des Typus -tung heute deutlich
im Westen, vor allem (wegen fyltung) im Nordwesten, und gerade fiir
Westnorwegen ist wenigstens følltung schon durch Christie bezeugt.
Diirften wir wirklich hier den Ausgangspunkt des Typus -tung suchen,
so konnten wir annehmen, dass sich fyltung im Zusammenhang mit
der bis ins 18. Jh. andauernden Ausfuhr von Pferden von den Zucht-
gebieten in Nfj./S-Møre nach Ostnorwegen44 soviel weiter gegen
Osten ausbreitete. Als sicher darf gelten, dass -tung an der Verdrångung
von -full massgebend beteiligt war und dass es noch jetzt auf Kosten
von -diger (wenigstens fyldig(er)), doper und (jedenfalls im Westen) auch
tidd kraftig vorstosst45.
42. So das Simplex in ’V-Gotl., Våstm.’ (Rietz 763b; ULMA), die Zss. kalvtung
in Narke (Rietz 305a).
43. Soderwall III 743.
44. Vgl. hiezu Høie-Tilrem S. 373.
45. Auch bei dem auf Rom. (Akersh. 5,9a) beschrånkten fylstinn und dem verein-
zelten kalvstinn Hedm. 5 (zu stinn »starr, steif«) ist es zweifelhaft, ob ein Zusam-
menhang mit entsprechenden, recht weitverbreiteten schwed. Bildungen besteht.