Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 150
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GESCHLECHTSLEBEN
Tråchtigkeit)« tritt es in einem etwas weiteren Gebiet auf: lt. Aasen
in Valdres, Orkd., N-Møre und (in der Form kvikkjær) in Hall.,
nach dem FB auch in S-Tr. 13. Ein Yb. kjelva »die Kuh befruchten«
fehit dagegen im Norw. ganz. Nun wird man natiirlich auf den ersten
Blick geneigt sein, das Vorkommen von kjelvd in Gbd. als Relikt zu
beurteilen, um so mehr, als es im Westen und zT. im Osten durch kalv{e)-
tung, im Norden durch kalv(e)diger, also zwei rel. junge Typen (vgl.
§ 48 f.) begrenzt wird. Drei Tatsachen lassen es jedoch als wahrschein-
lich erscheinen, dass das Wort seit alter Zeit wenn auch nicht ausschliess-
lich auf Gbd., so doch auf ein mehr oder weniger grosses Gebiet im
zentralen Ostnorwegen beschrånkt war, wodurch sich eine alte Bezie-
hung des Isl. zu ostnorw. Mundarten ergibt:
a) Das (altwestnorw.) Gulathing-Gesetz gebraucht in der vorliegenden
Bedeutung kålf bær61.
b) Neben * kjelva »die Kuh befruchten« bzw. Part. kjelvd ist in No r-
wegen ein selbståndiges, ebenfalls altes ian-Vb. kjelva »kalben« bezeugt,
das sich in seiner ursprunglichen Verbreitung mindestens fur Slid- und
Westnorwegen nachweisen låsst (s. § 54), und es darf bezweifelt wer-
den, ob die beiden Homonyme långere Zeit in den gleichen Gegenden
nebeneinander existieren konnten. Dass sich im Isl. kelfa »befruchten«
durchgesetzt hat, wåhrend sich kelfa »kalben« auf die Dauer nicht halten
konnte, spricht deutlich gegen ein solches Nebeneinanderleben.
c) Die jungen Typen kalv(e)tung und kalv{e)diger haben im Westen
und Norden sicher erst in neuester Zeit altes tidd62 verdrångt. Obwohl
Part.Pråt. zu einem faktitiven ian-Vb. (mit der Bed. »tråchtig machen«,
urspriinglich wohl »fur die Zeit, dh. die Jahres- oder Paarungszeit pas-
send machen«63), låsst sich diese Bildung zwar wegen ihres nicht umlaut-
baren Vokals rein sprachlich nicht mit Sicherheit auf die Zeit vor der
Besiedlung Islands und der Fåroer zuriickfuhren, und sie låsst sich
auch im Isl. und Får. nicht nachweisen. Aber sie ist doch schon anorw.
61. Fritzner II 248.
62. Daneben fruher wohl an einigen Orten auch tid = Adj. tid, anord. tiår »vorhanden,
gebråuchlich, gewohnlich, erwunscht« (vgl. Fritzner III 689): so lt. Bloch,
Fyresdal 1698, S. 34 (’Tiid’) und einem Beleg aus A-Agd. 19 in OS 43 (tid neben
tidd). Dagegen kann 'Tid' bei Leem und Christie biosse Schreibform sein (vgl.
'Bred' bei Leem, ’Breid’ bei Christie flir breidd). Vereinzelt erscheinen im FB
auch Fiigungen mit tidd f. »Tråchtigkeit« (vgl. Ross): ho har tidd Rog. 16b;
Hord. 9, von der Ziege lt. Rog. 16b auch ho har teke tedd.
63. Vgl. Hellquist 1180.