Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 158
128
GESCHLECHTSLEBEN
in Siidnorwegen an entsprechendes dån. kælve, das sowohl schrift-
sprachlich wie zT. auch in den Mundarten gebråuchlich ist18, und an
kalva in aschwed. Gesetzen (Magnus Erikssons und Christoffers Lan-
desgesetze)19 an, muss aber einst mindestens auch in Westnorwegen
im Gebrauch gewesen sein, da er anorw. im ålteren Gulathing-Gesetz
und in Magnus lagabætirs Landesgesetz uberliefert ist20. Ausserdem ist
er im ålteren Isl. bis ins 18. Jh. mehrfach belegt: zuerst in Jårnsiba
und Jonsbok21, spåter lt. OH in der Gudbrandsbiblia 1586, bei Gu 3-
mundur Andrésson ca. 1650, in Påll Vidalins Skyringar yfir forn-
yrdi logbokar peirrar, er Jénsbék kallast um 1700, in Bualog 1775 und
Bjorn Halldorssons At li 1780 sowie in Rit £>ess isl. lærdomslistafé-
lags um 1780/90. Da jedoch kelfa »kalben« im heutigen Isl. vollig un-
bekannt und aisl. abgesehen von der Rechtsprosa nur bera in dieser
Bedeutung uberliefert ist22, kann es auf Island, wenigstens in der ge-
sprochenen Sprache, kaum je stark verbreitet gewesen sein, ja es fragt
sich — bes. auch im Hinblick auf die Art der Quellen, in denen es uber-
liefert ist —, ob es nicht erst durch Jårnsi3a und Jonsbok aus dem Norw.
ins Isl. kam und hier noch in spåterer Zeit vor allem unter dem Einfluss
der Jonsbok, vielleicht zT. auch unter dån. Einfluss gebraucht wurde.
Wåhrend es in dieser Bedeutung im Isl. (wohl nicht zuletzt infolge der
Homonymie mit kelfa »die Kuh befruchten«; s. § 50) durch bera wieder
vollståndig zum Verschwinden gebracht wurde, wurde es in Norwegen
durch bera und kalva auf seine heutige kleine Reliktposition zuruckge-
drångt.
Diese beiden Haupttypen bilden heute einen scharfen Gegensatz
zwischen Isl. und Får.; in Norwegen dagegen sind sie so stark unter-
einander vermischt, dass sich eine kartographische Darstellung nicht ein-
mal lohnt. Dennoch låsst sich schon aus der Verteilung ihrer geogra-
phischen Schwerpunkte ersehen, wie bera als der åltere Typus vor dem
jiingeren, aktiveren kalva allmåhlich zurtickweicht. Es lassen sich trotz
allem in Norwegen deutlich einige Gebiete erkennen, in denen der
eine oder andere der beiden Typen uberwiegt: bera in den typischen
18. Vgl. ODS XI 1109; Kalkar II 473; Feilberg II 80; Jørgensen, Loll. 307.
19. Schlyter OB. 361; SgL X 409, XII 438.
20. Fritzner II 272; Hertzberg 339a.
21. Hertzberg 339a.
22. Belege in Bjamar saga hitdælakappa und Biskupa SQgur; s. Fritzner I 126;
Cl-Vigf. 58.