Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 160
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GESCHLECHTSLEBEN
von bera, zT. aber auch von kjelva (kalva) gegen Westen, Norden und
Silden ausbreitete. Durfen wir auch das Får. in diesen Zusammenhang
einschliessen, so haben wir eine jener sprachlichen Neuerungen vor uns,
die nach der Besiedlung der westlichen Inseln von Norwegen aus noch
bis nach den Fåroern wanderten, Island jedoch nicht mehr erreichten
(vgl. das Schlusskap.). Dass kalva schon rel. friih bis nach Westnor-
wegen gelangte, durfen wir aus den Belegen bei Leem und Christie
schliessen. Auch Aasen scheint sowohl bera wie kalva aus seinem gan-
zen Untersuchungsgebiet gekannt zu haben, da er sie ohne besondere
Ortsangaben anfuhrt. Beide mussen somit in vielen Mundarten schon
långere Zeit nebeneinander bestanden haben, ohne dass sich mehr als
nur gelegentliche Bedeutungsdifferenzierungen feststellen liessen29. Dies
bedeutet, dass bera offenbar nur recht langsam von dem allerdings durch
Schrift- und Fachsprache gestiitzten kalva zuriickgedrångt wird: zunåchst
auf das innere Sudnorwegen und auf långere Sicht wohl ganz auf
Island als letztes Riickzugsgebiet.
55. »lammern« (Karte 19).
Wåhrend das Isl. den durch die anord. Belege gegebenen Bedeutungs-
umfang von bera (s. § 54) voll bewahrt hat, das Verb also auch fur
das Gebåren von Schaf und Ziege verwendet, sind auf dem iibrigen Ge-
biet i.S.v. »låmmern« die Ableitungen lemba, lembe, lemma, lemme, lt.
Hord. 26a ’læma’30 (ursprunglich ian-Wb., jetzt im Norw. zT. nach der
øn-Klasse31) und lamba, lambe, lamma, lamme, mit Apokope låm(b),
lamm (on-Vb.), zu lamb »Lamm«, im Gebrauch. Von diesen kennt das
Får. nur die Form lemba32. Dagegen bilden die beiden in Norwegen
einen markanten Nord/Sud-Gegensatz: sudlich einer Linie, die von
Sfj. zur Grenze Nfj./Gbd. und von da der Wasserscheide zwischen
29. So Østf. 3: ’kua ske te å kælve / kua bar inatt, ho har bori’; Hedm. 14b: ’kua
skal kalve, men ho har børe’.
30. Vgl. Ross NB. XVII 143.
31. So lt. Østf. 6; Oppl. 9; Busk. 12; A-Agd. 7; V-Agd. 19, lt. OS 43 auch in
Sogn o.F. Hafslo. In Hord. 3 hildet es lt. einer Angabe in NMA a 115 Pras.
lembe, Prat. und Part. lemba.
32. Får. lambad in dem Ausdruck tad er væl (illa) lambad »der er læmmet mange (få)
lam« (JM) = aisl. lambadr »som har Lam« (ær iQmbud. Biskupa spgur; s. Fritz-
ner II 401) ist wohl eine selbståndige Partizipialbildung mit der Bedeutung des
»Versehenseins mit etwas«. fjber isl. lemba »befruchten« s. § 51.