Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 292
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es in der Fachsprache in diesem Sinne verwendet13. Auch die Entspre-
chungen im iibrigen Genn. und im Idg., die gewohnlich »Lende«, auch
»Niere« bedeuten und somit diese Bedeutung schon fur die zugrunde-
liegende idg. Wurzel erschliessen lassen14, zeigen deutlich, dass sich
die Bed. »Kreuz« erst sekundår durch Erweiterung des Bedeutungs-
umfangs von dem rel. kurzen Lendenstiick auf die ganze Endpartie
des Ruckens bis zum Schwanz ausgebildet hat. Dass es sich dabei aber
nicht um eine junge, im Zusammenhang mit allgemeiner sprachlicher
Nivellierung und daraus folgender Verwischung sachlicher Unterschiede
eingetretene, sondern um eine alte Entwicklung handelt, zeigen ver-
schiedene Momenter a) die Bedeutung »Kreuz« ist weit verbreitet,
obwohl sie im allgem. durch die Schriftsprache, vor allem durch die
Fachsprache, gerade nicht gestiitzt wird, — b) sie ist besonders konse-
quent durchgefuhrt in dem gegen Nivellierungen im Wortschatz rel.
immunen Isl., wåhrend sie in einem sonst gegenuber Novationen so
aufgeschlossenen Gebiet wie Nordnorwegen gerade fehit, — c) in
allen anord. Belegen, in denen sich das Wort aufs Pferd bezieht, liegt
wohl bereits die Bed. »Kreuz« vor15, wodurch die Moglichkeit von
Parallelentwicklung im Isl. und Norw. stark verringert wird. Beachtens-
wert ist in diesem Zusammenhang auch die Verbreitung in Westnor-
wegen, welche zeigt, dass lend »Kreuz« nicht wie viele junge Novationen
der Kiiste entlang, sondern iibers Gebirge von Osten nach Westen vor-
gestossen ist, so dass es sich einstweilen erst in den inneren Fjordgebieten
in wesentlichem Ausmass festsetzen konnte.
Wir haben es demnach offensichtlich mit einer sehr alten Neuerung
zu tun, deren Ausgangspunkt flir Norwegen etwa im Siidosten zu
suchen ist und die wohl zusammen mit dem seinerseits im Osten nicht
nachgewiesenen dov schon vor der Besiedlung Islands einen aus-
geprågten Ost/West-Gegensatz geschaffen hatte. Da lend aber anderseits
sicher erst rel. spåt in die inneren Fjordgebiete Westnorwegens
vordrang, ergibt sich hier mit grosser Wahrscheinlichkeit eine alte
Beziehung Island — Ostnorwegen und damit zugleich ein neues
13. Vgl. bes. Fig. 111 bei Høie-Tilrem S. 361 und die Abbildung in Svensk upp-
slagsbok2 XIII (1955) 1274, auch Kr. Saareim, Husdyrlære (1923) S. 285. Der
Gwm. Møre o.R. 17a betont ausdriicklich den Unterschied zwischen mundart-
lichem und schriftsprachlich-fachsprachlichem Gebrauch des Wortes.
14. Idg. *lendh- »Lende, Niere«; vgl. Pokorny I 675.
15. Vgl. Fritzner II 481. Aus dem Aschwed. und Adån. liegen keine Belege vom
Pferd vor.