Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 341
nachgeburt: zusammenfassung
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Urspriinglich, dh. vor der Abwanderung nach den westlichen Inseln,
galt wohl, wie wir aus der råumlichen Lagerung der heutigen Belege
schliessen diirfen, im ganzen westnord. Gebiet und mindestens auch
im nordlichen Schweden bis hiniiber nach Gotland bei Substantiv und
Verb ein Typus, der das Adj. heil »ganz, gesund« zur Grundlage hat
und den wir wohl als nordskand. bezeichnen diirfen: Der Zustand, in
den das Muttertier nach dem Abgang der Nachgeburt gelangt, wurde
mit dem Adj. heil bezeichnet, der Vorgang selbst mit verda heil, heila
sik/heilask52, vielleicht auch schon mit heilna, obwohl das resthafte
Auftreten von heila seg in Norwegen mindestens teilweise auf spåterer
Verdrångung durch heilna beruht. Das entsprechende Substantiv war
urgerm. *hailip6>*heild>held und (mit unklarer Vokalentwicklung)
hild (= ae. hæld, ne. health »Gesundheit«)53. Ableitungen von germ.
*hail- zur Bezeichnung der Nachgeburt finden sich auch im Engl.
(ae. håla m. »Nachgeburt«), Ndl. (haal, heel, he(e)ling »Nachgeburt
von Stuten«) und im Fries, (hialing, hijlling »Nachgeburt«), so dass
sich hier wohl eine alte Ubereinstimmung in der Terminologie der Vieh-
zucht zwischen dem Nord. und dem Nordseegerm. ergibt54.
Dieser Zustand gelangte mit den Siedlern im 9. Jh. nach Island,
wo er sich bis heute weitgehend erhalten hat, wahrend im Får. nur
das adjektivische Part. heilvordin noch weiterlebt. Im Isl. sind sowohl
Adj. heil wie Vb. heilast und Subst. hild(ar,-ir) bewahrt, woneben nur
in beschrånktem Umfang neue Formen (Vb. hildgast) und Worter
(lausnir, fylgja) aufkommen konnten.
Dagegen ist der Zusammenhang mit dem Mutterland durch neue
Entwicklungen im Norw. weitgehend zertriimmert worden:
a) durch Entwicklungen innerhalb der heil-Sippe:
Im zentralen Siiden (Agder-Tel.) gab es ein schw. Mask. heile, das
allerdings schon auf die Zeit vor der Abwanderung zuriickgehen kann
(vgl. das entsprechende ae. håla). Ebenfalls wohl schon friih kam im
selben Raum die Inchoativbildung heilna auf. Von ihr aus entstand
52. Dass heila seg auch in Norwegen wesentlich weiter verbreitet war als die heutigen
Reste vermuten lassen, zeigt wohl Ross’ Lokalisierung mit 'Østlandet’ (vgl.
§ 157 b).
53. Vgl. A. Torp. MM 1913: 24.
54. Vgl. E. Lidén, aaO. (s. Anm. 43), S. 26 f.