Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 382
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RIND
schreien, schelten«18) gelangt. Auch im Isl. kommen neben »(schwach)
muhen« verschiedene andere Bedeutungen wie »schlecht und kreischend
singen; weinen, heulen; im Magen rumpeln« (Bl ond al) vor.
Auf schwedischem Gebiet verzeichnet Rietz 226/7 gaul(a), gjdl(a)
in der Bed. »(stark) muhen« fur Jåmtl. (in Fortsetzung der trond.
Belege flir gaula »muhen«), gjola in der etwas spezielleren Bed. »gellend
muhen oder briillen« fiir Smål.; Halland; Blek. Dazu kommen
bei Rietz die Bedeutungen »(heftig) weinen« in Ångml.; Våsterb.;
Norrb., »heulen (von Wolfen)« (ohne Ortsangabe), »knacken (von
Eis)« in Smål., bei Vendeil 313b »heulen (im allgem.)« auf Runo,
»larmen, johlen« in Nyl. und »trållern« in Osterb. Aschwed. ist das
Wort noch nicht belegt und im Dån. fehit es anscheinend ganz.
Da es anderseits im ganzen westnord. Gebiet verbreitet ist und auch
in Schweden vor allem in sudlichen, sudwestlichen und nordlichen
Mundarten vorkommt19, erscheint es als ein im wesentlichen west-
skand. Wort mit der allgemeinen Bed. »heulen, schreien, briillen«20,
die auf Teilen des Gebietes: in West- und Nordnorwegen mit Jåmtl.,
ferner auf Island und in Slid- und Siidwestschweden (teilweise)
auf die Laute des Rindes spezialisiert ist. Ob zwischen dem isl.-westnorw.-
nordschwed. und dem siidschwed. Gebiet mit der Bed. »muhen, briillen«
ein urspriinglicher Zusammenhang besteht, ist sehr zweifelhaft. Dagegen
diirfen wir wohl fiir das Isl. und das West- und Nordnorw. einen auf
die Zeit vor der Besiedlung zuriickgehenden Zusammenhang annehmen,
obschon die Bed. »muhen« awestn. noch nicht bezeugt und den iibrigen
Tochtersprachen nicht gelåufig ist. Die råumliche Lagerung von gaula
»muhen« in Norwegen: im åussersten Westen und im Norden, spricht
stark fiir die Annahme, dass es sich bei diesen Belegen um Reste eines
westskand. Typus handelt, der von dem aktiven Typus rauta von Osten
und Siidosten iiber das Hochgebirge hinweg auf die Kiistengcbiete
Westnorwegens und des Trøndelags (einschl. Nordnorwegens)
zuriickgeworfen wurde. Wir sind indessen kaum berechtigt, anhand
der Streubelege in Østerd., Gbd. und im siidlichen S-Tr. noch
fiir die jiingste Vergangenheit eine wesentlich grossere Verbreitung
18. Wright, EDD II 697; vgl. auch De Vries 158.
19. Vgl. auch Lindqvist, Sydvåst-Sverige II, Karte 115.
20. Es ist verwandt mit norw. gøya, isl. geyja »bellen«: vielleicht zu idg. *gheu- usw.
»gåhnen, klaffen«; vgl. Torp 148; De Vries 158; Johannesson, Et.Wb.
319; Pokorny I 449.