Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 383
NORMALLAUTE
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zu erschliessen, da wir schon fiir die anord. Zeit mindestens in Ost-
oder S ud ost- (auch S ud- ?)Norwegen mit dem Ty pus rauta rechnen
mussen und da es sehr zweifelhaft ist, dass die beiden einst in wesent-
lichem Ausmass semantisch differenziert nebeneinander bestanden21.
Dass auch bei gaula von der Bed. »muhen im allgem.« auszugehen ist
und die Spezialisierungen auf die stårkeren oder schwåcheren Laute
erst im Zuge der Auseinandersetzung mit rauta entstanden sind, zeigt
deutlich Leems Bemerkung (S. 65): ’Ordet bruuges om een Koes eller
Oxes ordinaire Røst’. Auch im Isl. ist gaula wohl erst sekundår von
baula (s. § 190) auf die Bezeichnung der schwåcheren Laute abgedrångt
worden. Es erscheint somit als recht wahrscheinlich, dass schon zur
Zeit der islåndischen Landnahme in Norwegen irgendwie ein West/
Ost-Gegensatz zwischen gaula und rauta als Bezeichnungen der Normal-
laute bzw. der Laute des Rindes im allgem. bestand.
190. Als Bezeichnungen der Normallaute des Rindes deutlich sekundår
sind die heute im Isl. und Får. herrschenden Typen baula bzw. belja.
a) baula (o«-Vb.) herrscht in dieser Bedeutung im Isl. auf dem ganzen
Gebiet, abgesehen von einigen Orten im Westen, wo es infolge der
Auseinandersetzung mit gaula, das hier teilweise ebenfalls von den
’neutralen’ Lauten gebraucht wird (s. § 189), auf die Bezeichnung der
schwåcheren Laute eingeschrånkt worden ist. In Norwegen kommt
es dagegen in der ’neutralen’ Bed. »muhen« nur an einigen Orten des
inneren Østf. vor. Sonst wird es hier durchwegs von besonders starken
Lauten des Rindes (vom Briillen des Stiers, auch der Kuh in erregtem
Zustand, aus Freude, Angst, Schmerz, Zorn u. dgl.) gebraucht: im
grossten Teil Siidostnorwegens (vor allem in den Gebieten beidseits
des Oslofjords, ferner in Ring., Had., Land, Toten, Hedmark,
im unteren und mittl. Gbd., wenigstens vereinzelt auch in Hall. und
Valdres) und in Teilen von Nordi. (siidl. Helg. und vereinzelt Salta).
Ausserhalb dieser Gebiete ist es in Norwegen uberhaupt nur schwach
belegt: Ross fiihrt es in der Bed. »brøle hæst og vredt« flir Hard. an,
was aber durch Opedal, Hardanger nicht beståtigt wird; sonst findet
sich nur bei Christie S. 44 die Angabe bøla »brøle«22, die aber nur
21. Es ist auch zu beachten, dass Leem S. 65 ’Aa Goula' nur fiir Rog. Av., nicht aber
fiir seine Heimat S-Møre verzeichnet.
22. -ø- kommt bei diesem Wort auch sonst in nicht-monophthongierenden Mundarten
vor: vor allem in Østf. nordlich der Monophthongierungsgrenze (s. zu dieser
Grenze Hoff, Skjetvem. Karte B 2 S. 333), ferner in Hedm. 6; Busk. 1;