Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 384
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RIND
mit Vorbehalt fiir Westnorwegen in Anspruch genommen werden
darf23. Ebenso fehit das Wort ausser im Isl. in den westlichen Tochter-
sprachen fast vollig24. Dagegen ist bola {båla, baula) in der Bed. »briillen,
vom Rind, bes. vom Stier« in Schweden verbreitet. Es gehort hier
(in der Form bola) der Reichssprache an und ist aus Mundarten in
V-Gotl., Hålsl., Goti., Estland (mit Runo) und Finnland bezeugt;
in Siidschweden ist es dagegen in anderer Bedeutung (»weinen, bes.
von Kindern«) im Gebrauch25. In Nord-Jiitl., wo entsprechendes bole
ebenfalls vorkommt, scheint es wenigstens teilweise auch von besonders
starken Lauten des Rindes gebraucht zu werden (daneben auch in den
Bedeutungen »weinen« und »briillen, tosen, vom Unwetter«)26.
Das Wort gehort, wie belja »briillen« (s. u.), zu einer Schallwurzel
*bu-il. Es ist awestn. nur durch das daraus gebildete Subst. baula f.
»Kuh« (s. § 143) bezeugt, erscheint dagegen im Aschwed. in zwei Belegen,
von denen sich der eine deutlich auf starke Laute von Rindern und
Schafen bezieht: ’faar oc fåå mykyt grymmelika rotandhe oc bolande’
(Fornsvenskt Legendarium)28. Sagt dieser Beleg wegen des parabelen
rota auch nicht allzuviel iiber die Bedeutung von baula, bola in der
ålteren Sprache aus, so zeigt doch die weite Verbreitung der Bed. »briil-
len« in Norwegen und Schweden, dass sie urspriinglich oder minde-
stens sehr alt sein muss. Ein Blick auf das synonyme belja legt es denn
auch nahe, die ’neutrale’ Bedeutung bei baula als Folge der Ausein-
andersetzung zwischen diesen beiden Typen zu sehen. Belja (in Siid-
und Ostnorwegen und im siidl. Trøndelag weitgehend mit ur-
spriinglichem bylja »drohnen« vermischt:>Z>ø//a usw.) ist heute in der
Bed. »briillen, von Tieren, bes. Rindvieh, auch von Menschen«29 sozu-
Vestf. 2,3: als Lautnachahmung oder durch Einfluss des verbreiteten (wohl
entlehnten) brøla ?
23. Aasen lokalisiert das Wort jedenfalls nur mit ’Nordl., Gbd. og fl.’
24. Nur im Me. kommt es als Lehnwort bawlen »bellen« vor (s. De Vries 29).
25. S. Rietz 28 b; Gustavson 119; Danell, Nucko 67; Wessman I 112 (bøl n.
»das Briillen«).
26. S. Feilberg I 159, Suppl. 85. Feilberg ubersetzt bole nur mit »brøle«, doch
fiihrt er daneben die Zss. bølested an: ’at gøre bølested siges om løsgående
køer og stude, når de samles på marken, om et ådsel, et ben, en kalv, brøler og
skraber i jorden; de er da tit farlige for mennesker’.
27. Vgl. De Vries 29; Johannesson, Et.Wb. 587, auch Hellquist 124; Persson,
Idg. Wortf. 38 f.
28. Soderwall I 176. Ein weiterer Beleg aus einem lat.-schwed. Glossar: ’boare...
bola liwda ok ropa’ (ebd. Suppl. 107) ist nicht eindeutig.
29. Vgl. dazu auch NO I 521.