Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Side 422
392
SCHAF
gewohnlich auf die erste Altersstufe, wåhrend får. gimbur, seltener
gimbri, lt. Får. 17,18, tw. auch 8 (lamb-g.) gimbra heute gewohnlich die
auf gemlingur, gjol(y)ingur folgende dritte Stufe (ca. 1, 1%-1%, 2 J.)
bezeichnet.
Von den hier erwåhnten Bezeichnungen des ca. einjåhrigen Schafes
konnen nur risbit, gimber/gimbur und gemlingur, die alle schon im
Awestn. belegt sind5 6, hohes Alter flir sich beanspruchen. Flir die Frage
des Verhåltnisses zwischen den norw. Mundarten und den Tochter-
sprachen sind vor allem isl.-får. gemlingur und norw. risbit von Interesse.
Da anzunehmen ist, dass beide Worter urspriinglich bedeutungsmåssig
die Ergånzung zu gimber/gimbur bildeten (sei es als Bezeichnungen des
månnlichen Tieres oder beider Geschlechter), fragt es sich, welches wir
in dieser Bedeutung flir die Zeit der Auswanderung anzusetzen haben.
Gemlingur wird gewohnlich zu gimber gestellt und als Ableitung von
einer Ablautsform der gleichen Wurzel, somit als eine sehr alte Bildung
betrachtet6. Demgegeniiber mochte Zetterholm7 das Wort mit Ruck-
sicht darauf, dass es nur aus dem Isl. und Får. bezeugt ist, an nisl.
gemla »alter Zahn«, auch »Zahn eines neugeborenen Kindes; neuer
Zahn bei alten Leuten« (Bl on dal) anknupfen; gemlingur wurde dem-
nach von Hause aus das Tier zur Zeit, da die Milchzåhne auszufallen
beginnen, bezeichnen. Wir konnten in diesem Fail annehmen, dass es
sich um eine isl.-får. Neuerung handle, die nicht auf die Zeit vor der
Landnahme zuruckzugehen brauchte. Es ist aber doch sehr fraglich,
ob risbit als Bezeichnung des Widders damals schon existiert haben
kann: von diesem Wort fehit nicht nur jede Spur im heutigen Isl. und
Får., sondern es ist auch awestn. nur als Beiname eines ’syslumabr’
in Jåmtland (aschwed. nur in der Bed. »Kind eines geåchteten Vaters«)
belegt und bezieht sich nach der Grundbedeutung »Tier, das zum ersten-
mal (auf der Waldweide) Reiser abbeisst« zunåchst am ehesten auf
Ziegen8. Es ist deshalb doch stark mit der Moglichkeit zu rechnen, dass
gemlingur, obwohl anord. nur in der Svarfdæla saga belegt, einst auch
in Norwegen verbreitet war und das heutige Vorkommen im Isl. und
Får. ein Relikt darstellt (uber dorri als eventuelle alte Spezialbezeichnung
des månnlichen jungen Schafs vgl. § 205).
5. Vgl. Zetterholm, aaOO.
6. Vgl. FT 311; Johannesson, Et.Wb. 300; De Vries 163; Nor.Aisl. § 168.
7. Zetterholm 1937, S. 50.
8. Vgl. ebd. S. 105 f.