Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 478
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ZUSAMMENFASSUNG
Hat schon der skandinavische Norden ganz allgemein keine territorial-
geschichtliche Entwicklung durchgemacht, die sich etwa derjenigen West-
und Suddeutschlands vergleichen liesse, so kommen im westlichen Nor-
den noch weitere Faktoren hinzu, welche die Moglichkeiten eines Zusam-
menhangs zwischen Sprachgeschichte und Territorialgeschichte als beson-
ders gering erscheinen lassen. Nicht nur stellt Island mit seiner ausser-
ordentlich diinnen Bevolkerung, dem bis in die neueste Zeit andauernden
fast volligen Fehlen regionaler Zentren und der alles iiberschattenden
spracheinigenden Kraft des alpingi einen Sonderfall dar, sondem auch
in dem seit dem 12./13. Jh. stark zentralistisch regierten Norwegen
erlangten die regionalen administrativen und kirchlichen Einheiten bei
weitem nicht die gleiche Bedeutung wie andernorts: vor allem kann hier
in dem fur die Ausbildung der Mundartgrenzen so entscheidenden Spåt-
mittelalter geradezu von einem Zustand territorialer Auflosung gespro-
chen werden4, wåhrend in der darauf folgenden Reformationszeit die
kirchliche Organisation derart vermindert wurde und verkummerte5,
dass von hier aus ebenfalls kein starker Einfluss auf das landschaftliche
Sprachleben zu erwarten ist.
Natan Lindqvist6 bezeugt fiir Schweden, dass Bistumsgrenzen
hdchstens in einigen einzelnen Fallen mit den Grenzen mundartlicher
Erscheinungen zusammenfallen und dass auch die grosseren politisch-
administrativen Einheiten im allgem. keine sprachliche Einheit bilden,
weshalb er das Hauptgewicht auf den Verkehr im weitesten Sinn als
fiir die Ausbildung der Sprachråume entscheidenden Faktor legt7. Fiir
die folgende Ubersicht wurden Vergleiche mit der Einteilung in fylki
(ca. 950-1300), iQgping (sowohl mit der seit dem 10./11. Jh. bestehenden
in vier, mit Hålogaland fiinf, als auch mit der von ca. 1300 an geltenden
Einteilung in sieben8), féhirzlur9 (alles nach Munch 1849), mit der len-
4. Vgl. Holmsen S. 442.
5. Vgl. ebd. S. 499.
6. Språkgeografi (in: Orientering i språkvetenskap, hgg. von H. S. Nyberg, Stock-
holm 1943), SS. 57 f. 64.
7. Vgl. auch A. Bach, Deutsche Mundart forschung2 (Heidelberg 1950) § 58; W.
Mitzka, Handbuch zum Deutschen Sprachatlas (Marburg 1952), S. 144.
8. Ausser den zwei im heute schwedischen Bohuslan gelegenen Bagaholms- und
SproOeidsping.
9. Grossere Steuerbezirke, die den spåtmittelalterlichen syslur, deren Zahl und
Abgrenzung aus der zur Verfiigung stehenden Literatur nicht genau ersichtlich
ist, ubergeordnet waren und die Grundlage fiir die wichtigsten spåteren len bildeten;
vgl. Munch 1849, S. 9.