Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1967, Page 563
ISL. WORTGEOGRAPHIE
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recht allgemein bewusst sind, ist fur ihre genaue Erforschung, wie schon
in § 1 angedeutet wurde, bisher wenig getan worden, so dass die dieser
Arbeit beigegebenen Wortkarten furs Isl. die ersten ihrer Art darstellen.
Ich brauche hier nicht weiter auf Forschungsgeschichtliches einzugehen,
sondern kann in diesem Zusammenhang auf die ausfuhrlichen Ober-
sichten iiber Methoden, Aufgaben und bisherige Resultate islåndischer
Mundartforschung von Karl-Hampus Dahlstedt1 und Hreinn
Benediktsson2 verweisen. Nur die folgenden grundsåtzlichen Bemer-
kungen zur isl. Wortgeographie mochte ich vorausschicken:
a) Die erste betrifft eine terminologische Frage. Wenn wir dem Begriff
'Mundart’ die beiden Komponenten geographische Begrenzung und
’soziale Minderwertigkeit’ zugrunde legen, konnen wir die Regionalis-
men im isl. Wortschatz streng genommen nicht als Mundartworter be-
zeichnen, da sie im allgem., ebenso wie die meisten regionalen Aus-
sprachevarianten, in der Hochsprache durchaus zugelassen sind. Die
Worter mit geographisch beschrånkter Verbreitung lassen sich deshalb
am besten dem Wortschatz regionaler Umgangssprachen in andern
Sprachgebieten wie dem Dt., Schwed. usw. vergleichen. Es gibt zwar
auch im Isl. eine vulgårsprachliche Schicht, aber diese zeigt im allgem.
keine råumlichen Beschrånkungen3.
b) Die regionalen Worter gehoren im Isl. mehr als in andern Sprachen
peripheren Begriffen an, doch gilt dies kaum so uneingeschrånkt wie
Hans Kuhn4 anzunehmen scheint; vgl. im folgenden etwa kapall,
tappurttappi, geldneyti »Ochse«, bekri/dorri ua.
c) Die Grenzen sind meist weniger scharf als bei mundartlichen Er-
scheinungen anderer Sprachgebiete. Wie im Lautlichen5, finden wir
auch im Wortschatz meist weite Obergangs- und Mischgebiete (vgl.
zB. Karte 53 »Kuhfladen«), Dies hångt sicher zu einem guten Teil
mit der extremen Streusiedelung und dem vollståndigen Fehlen von Dorf-
und Stadtsiedelungen bis ins 19. Jh. zusammen, die keine geschlossene
regionale Sprachgemeinschaften aufkommen liessen. Weil dadurch
nach andern Gegenden umgezogene Bevolkerungsteile sprachlich nur
1. Islandsk dialektgeografi. Några synpunkter (Scripta Islandica 9, 1958: 5-33).
2. Icelandic Dialectology. Methods and Results (IT 3, 1961/62: 72-113).
3. Vgl. hiezu Dahlstedt, aaO. S. 5ff. Hreinn Benediktsson, aaO. S. 109 mochte
deshalb den Ausdruck 'Dialekt’ furs Isl. durch ’variety’ ersetzen.
4. ZfMf 11 (1935): 26.
5. Vgl. Bjorn Gu5f innsson, Breytingar å framburåi og stafsetningu (Reykjavik
1947), S. 17.