Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Qupperneq 33

DIE ENTWICKLUNG DER FINNISCHEN FRAU 27
nationalen Geistes und der bodenstandigen Kultur des Landes.
2u alledem entstand noch eine starke religiöse Bewegung, die in
allen Kreisen Adepten fand, von den Intellektuellen der Kultur-
zentren bis zu den Bauern in den entferntesten Ecken des Landes.
Allen diesen Stimmen der Religion, der Geschichte, der Poesie
lauschte auch die finnische Frau.
Bald wehte jedoch ein kalter Hauch iiber das Land und zer-
störte die jungen Triebe des nationalen Friihlings, der mit so
schönen Verheissungen eingesetzt hatte. Um die Mitte des Jahr-
hunderts begannen die fiihrenden Persönlichkeiten der pansla-
'wistischen Bewegung in Russland, den Gedanken an eine russische
Grossmacht zu entwickeln. Jetzt hiess es: Finnland muss russi-
fiziert und zu einer russischen Provinz gemacht werden! Die
Beamtenschaft des Landes war konservativ und infolge ihrer
schwedischen Sprache der Mehrzahl des Volkes fremd geblieben.
Und die grosse Masse der unbegiiterten Landbevölkerung — ohne
Bildung, ohne politische Rechte, unzufrieden — war ein schwa-
cher Faktor in der Struktur der Gesellschaft. Gegen Ende des
Jahrhunderts begannen dann die Ideen der sozialen Reform, die
«n Gefolge des Kulturliberalismus entstanden waren, auch in
Finnland Eingang zu finden. In politischen Kreisen wurde man
sich allmahlich bewusst, dass den Russifizierungsbestrebungen nur
durch eine Erhöhung des Bildungsniveaus und eine Verbesserung
der wirtschaftlichen Lage des Volkes wirksamer Widerstand ge-
leistet werden könnte. Schon in den 1860- und i87oer Jahren
begann man also, soziale Reformen durchzufiihren, aber um die
Jahrhundertwende kamen zwei neue Faktoren hinzu, die diese
Reformen mit neuem Leben erfiillten: die Zusammenschliessung
der Arbeiter zu einer besonderen politischen Partei und eine
griindliche Umorganisierung der parlamentarischen Vertretung,
mdem der Einkammer-Reichstag anstelle des alten Vierstánde-
Landtags trat.
Die durch den Liberalismus herbeigefiihrten wirtschaftlichen
und sozialen Veránderungen sowie die Vertiefung des kulturellen
Lebens nebst dem daraus sich ergebenden klareren Rechtsgefuhl
^aren nicht ohne Wirkung auch auf die Stellung der Frau geblie-
ben. Das Schulwesen wurde in einer Weise neuorganisiert, dass
dabei den Bediirfnissen aller Volksschichten Rechnung getragen
'W'urde. Den ökonomischen Rechten der Ehefrau und der Kinder
wurde mehr Beachtung geschenkt, Lehranstalten fiir Frauen wur-
den gegriindet, und bald stand den Frauen auch der Weg in die