Le Nord : revue internationale des Pays de Nord - 01.06.1941, Síða 216
OTTO JESPERSEN
Von Niels Haislund.
DANISCHE Forscher nehmen in der Geschichte der
Sprachwissenschaft einen ehrenvollen Platz ein. Namen
wie Rasmus Kristian Rask, der eigentliche Begriinder der
vergleichenden Sprachwissenschaft, der zuerst das Gesetz von der
germanischen Lautverschiebung formulierte, J. N. Madvig, der
grosse Lateiner, N. L. Westergaard, der hervorragende Orien-
talist, Karl Verner, der in einer epochemachenden und muster-
giiltigen Abhandlung das sog. Verner’sche Gesetz beschrieb, wel-
ches in einer einfachen und einleuchtenden Weise ein fundamen-
tales Problem im Zusammenhang mit dem Gesetz von der ger-
manischen Lautverschiebung löst, das bis dahin den Sprachfor-
schern grosse Schwierigkeiten bereitet hatte, und schliesslich der
grosse Vilhelm Thomsen, dem nichts Sprachliches fremd war,
und dessen beriihmteste Tat die Deutung der alt-tiirkischen
Orkhon-Inschriften war, — diese Namen sind in der Geschichte
der allgemeinen Sprachwissenschaft von sehr grossem Format.
Auch unter den lebenden Trágern dieser stolzen dánischen
sprachwissenschaftlichen Tradition befinden sich viele sehr her-
vorragende Forscher, und der grösste, am weitesten bekannte
Name unter ihnen ist Otto Jespersen, der gegenwártige Nestor
der dánischen Sprachforschung, dessen Bedeutung iibrigens iiber
seine wissenschaftliche Arbeit weit hinausragt.
Jens Otto Harry Jespersen wurde am 16. Juli 1860 in Randers
als Sohn des Landrats, Justizrat Jens Bloch Jespersen aus der
bekannten bornholmischen Familie Jespersen geboren. Seine Mut-
ter war eine geborene Bentzien, Tochter eines Pfarrers, der H. C.
Andersens erster Lehrer im Lateinischen gewesen ist. Der Vater
starb 1870, worauf die Mutter mit ihrer grossen Kinderschar
nach Hilleröd zog. Auch die Mutter starb, bevor alle Kinder
erwachsen waren. Otto Jespersen war damals noch nicht 14 Jahre
alt, aber die Familie sorgte fiir die Ausbildung der Kinder, und
im Alter von 17 Jahren bestand Jespersen mit Auszeichnung das
Abiturium am staatlichen Gymnasium in Frederiksborg. Infolge
des guten Examens fiel ihm eine der beiden Freistellen im Kol-
legium Regensen zu, die jedes Jahr an Studenten aus Frederiks-
borg vergeben wurden, und vier Jahre lang nahm er nun am
Leben und Treiben in dem alten Kollegium, dem »rotenHof«, teil.