Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1977, Qupperneq 282
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auch keine deutschsprachige, sondern eine lateinische: Ammianus
Marcellinus berichtet, dass Kaiser Julian, den man spater Apo-
stata nannte, auf seinem Zug gegen die Perser nach Uberschrciten
des Flusses Abora in Kleinasien die Briicke zerstoren liess mit
åhnlicher Begriindung wie sie Hagen vorbrachte: “statimque trans-
gressus pontem auelli præcepit, ne qui militum ab agminibus pro-
priis reuertendi fiducia remaneret”8. Julian wird von Sallustius,
dem Pråfekten Galliens, gewarnt, der ihn vom Kriegszug abhalten
will und das Unheil kommen sieht. Doch Julian schlågt dessen
Warnung in den Wind. Auch hier, wie im NL, gibt es einen Hin-
weis auf das unausweichliche Schicksal: “[...] quoniam nulla vis
humana uel uirtus meruisse umquam potuit, ut quod præscripsit
fatalis ordo non fiat.”9. Ein weiteres Vorzeichen (“omen”) wird er-
wåhnt: die Totung eines Beamten, der verhindert wird, ein gege-
benes Versprechen einzulosen, das sich aber kurz nach seiner Hin-
richtung erfuilt10.
Ubereinstimmend zwischen der Gestaltung des NL und dem
Bericht des Ammian sind die Begriindung fur die Zerstorung des
Mitteis zur Ubcrquerung eines Flusses, unheilvolle Vorzeichen und
der Verweis auf das Schicksal (bei Ammian expressis verbis aus-
gesprochen, im NL aus der 25. åventiure zu erschliessen). Unter-
schiedlich ist, dass Hagen den sicheren Tod vor Augen hat, wah-
rend Julian ohne Bedenken (“fidentius”) weiter marschiert.
Eine Ubernahme dieses Motivs aus Ammian ist denkbar. Die
erhaltenen Blicher 14-31 seiner ‘res gestæ’ sind auf das engste mit
der Geschichte Galliens und der germanischen Volker verbunden
und konnten deshalb grosses Interesse in Frankreich finden. Von
dort gelangte eine Abschrift der Bueher 14-31 in das Kloster
Hersfeld; von ihr wurde im 9. Jahrhundert eine neuerliche Ab-
schrift fiir das Kloster Fulda hergestellt. Die Hersfelder Hand-
schrift ist seit dem 16. Jahrhundert verschollen, der Codex Fulden-
8 lib. 23,5,5. Ammianus Marcellinus, Romische Geschichte: Lateinisch und Deulsch
und mit einem Kommentar versehen von W. Seyfarth, Schriften und Quellen der Al-
ten Welt, Bd. 21,3 (Berlin, 1970), Dritter Teil, S. 78.
9 lib. 23,5,5.
10 lib. 23,5,6. zu ahnlichen Fassungen bei griechisehen Historiographen vgl.
G. Reinhardt, Der Perserkrieg des Kaiser Julian, Programm (Dessau, 1892) (mir
nieht zugånglich); J. Bidez, Julian der Abtrilnnige (1930), S. 354 f.